Liebe Gemeinde, liebe Gäste!
Ich möchte Sie recht herzlich auch im Namen des Kirchenvorstandes und von Vikar Kretschmer zu unserem heutigen Gemeindeabend begrüßen. Besonders freuen wir uns, daß Vertreter unserer Partnergemeinde und Besucher vom "Tag des offenen Denkmals Wandererwerke" bei uns sind.
Vor 110 Jahren wurde dieses Gotteshaus geweiht. Aus diesem Grund feiern wir morgen um 9.30 Uhr einen Festgottesdienst. Heute, sozusagen am Vorabend, wollen wir Ihnen einiges aus der Schönauer Geschichte erzählen. Damit es Ihnen nicht zu langweilig wird, werden wir das ganze mit Spielszenen und Musikstücken auflockern.
Vor 10 Jahren, zur 100 Jahrfeier, haben wir unsere Geschichte mit einem historisch belegten Ereignis begonnen: Mönche sammelten Geld für den Wiederaufbau ihres 1236 abgebrannten Klosters.
Daß wir uns dieses Mal noch weiter vorgewagt haben, hat mit unserer Partnergemeinde aus Hannover - Laatzen zu tun. Im vorigen Jahr hat der dortige Kirchenvorstandsvorsitzende Herr Färber uns bei der Führung durch das Kloster Corvey dessen Bedeutung für die Christianisierung des heutigen Niedersachsen und Böhmen erklärt. Da reifte in mir der Plan: Im nächsten Jahr zeigst du den Laatzenern, wie es bei uns in Sachsen war.
Das ganze wurde schwieriger als ich dachte. In der Schule hatten wir gelernt: Bei der deutschen Ostexpansion, verbunden mit der Unterdrückung der Slawen, ist auch das Christentum in den deutschen Osten gekommen. Doch bei genauerem Hinsehen und unter zu Hinzunahme der uns jetzt zugänglichen Literatur war diese Epoche doch etwas anders.
Im 10. Jh. bemühten sich drei Reiche um das Gebiet zwischen Saale und Neiße. Von Osten waren das die Polen, von Süden die Tschechen und von Westen waren das die Deutschen. Die auf diesem Gebiet lebenden Menschen waren dabei Nebensache. Es ging vor allem um Land. Diese drei Reiche bekämpften sich und versöhnten sich anschließens wieder. Man verheiratete gegenseitig seine Kinder, um sich dann wieder zu bekriegen.
Bei einem dieser Feldzüge wurde der Würzburger Bischof Arn auf einem Hügel am Chemnitzfluß 892 ermordet. Soviel ich weiß, ist das das erste Mal, daß unsere Gegend urkundlich erwähnt wird.
Am Ende obsiegten die Deutschen, sie errichteten Burgen mitsamt Kirchen. Den Gottesdienst, den man dort feierte, kann man aber allenfalls als Militärseelsorge bezeichnen.
Das nun befriedete Land war nach heutigen Begriffen menschenleer. Auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen lebten ungefähr 40 000 Menschen, also etwa halbsoviel wie heute im Wohngebiet Fritz Heckert. Deshalb holten Werber aus westlichen deutschen Ländern junge Bauern in dieses Land. Sie mögen kaum älter als die Mitglieder unserer JG gewesen sein. Eine Schule hatten sie nie besucht, aber alles, was man zum Führen eines Bauernhofs wissen mußte, hatten sie von ihren Eltern gelernt.
Diese Leute haben ihren Glauben, das Christentum, in unsere Gegend sozusagen mitgebracht.
Wie mögen diese mutigen Leute gelebt und geliebt haben? In welcher Sprache haben sie gesungen und gebetet? Deutsch oder Latein? Welchen Eindruck wird Schönau auf sie gemacht haben?
Ort: Auf Schönauer Flur
Zeit: ca. 1150 n. Chr.
Personen: Anführer - Holger Busse
Mädchen - Magdalena Schaarschmidt
1. Bauer - Benjamin Schaarschmidt
2. Bauer - Sebastian Schilling
Junger Mönch - Michael Markert
Alter Mönch - Bernd Markert
Siedler - Junge Gemeinde
Erzähler: ... Welchen Eindruck mag Schönau auf diese Leute gemacht haben?
( Eine Flöte intoniert "In Gottes Namen fahren wir..." EG 498)
Erzähler: Das ist nach einem Pilgerlied aus dem 12. Jh. gedichtet. Das könnten sie auf ihrem Zug gesungen haben. (hebt die Hände vor die Augen) Mir kommt es vor, als ob drüben auf dem Platz , wo das Rittergut stand, 10, 12 große Planwagen sich zu einer Wagenburg aufstellen. Die schweren Ochsen grasen auf einer Wiese am Kappelbach. Jetzt kommen Leute hier herüber... Ich glaube, ich habe mich zu sehr in diese Zeit vertieft, es wird Zeit, daß ich mich zurückziehe.
(Die Siedler singen im Vorraum des Haupteinganges den 1. Vers. Während des 2. Verses ziehen sie in den Altarraum.)
1. Bauer: ( zum Anführer) Ob das der Platz ist, an dem unser Dorf entstehen soll? Schön wäre es. Mir könnte es hier gefallen!
Anführer: Wenn die Wegbeschreibung richtig war, müßten wir am Ziel unserer langen Reise sein. Wir werden es von den Mönchen des Bergklosters genau erfahren.
2. Bauer: Unser Vieh scheint sich auf dieser schönen Bachaue bereits heimisch zu fühlen. Ich werde meinen Kescher holen und im Bach auf Fischfang gehen.
Anführer: Nimm dir noch ein paar junge Leute mit. ( zum 1. Bauer) Wir werden nach Wildwechseln suchen, die zum Bach führen. (Beide suchen, 1. Bauer schaut in Richtung Eingangstür)
2. Bauer: Da sehe ich 2 Mönche, wetten daß sie zu uns wollen?
Anführer: Wetten über Mönche - ein Glück, daß sie es nicht gehört haben. (Mönche treten auf)
Alter Mönch: Gott zum Gruß! Der Segen des Herrn sei mit euch allen.
Siedler: (bekreuzigen sich) Und mit deinem Geiste.
Alter Mönch: Willkommen hier auf dem Gebiet unseres Klosters. Ihr habt den Weg schnell gefunden.
Anführer: Es war nicht so schwer, denn er wurde mir genau erklärt: Unser Treff sollte direkt an der Frankenstraße liegen. Und er sollte sich auf einem Hügel befinden, an dessen Fuß eine schöne Bachaue liegt.
Alter Mönch: Ich merke, ihr seid ein guter Anführer. Unsere Kuriere haben uns schon berichtet, daß ihr den Zug mit viel Geschick geleitet habt. (leiser, zum Anführer gewandt) Wir können einen umsichtigen Dorfschulzen hier gut gebrauchen, denn der Ort liegt genau zwischen den Gebieten derer von Schönburg und derer von Einsiedel. Er soll die Brücke zu den gegen Mittag gelegenen Klostergebieten bilden.
Anführer: Wenn ihr meint , daß ich der Richtige bin... Wir würden gern hier bleiben.
1. Bauer: Bin ich froh, daß wir in dieser schönen Aue bleiben.
Junger Mönch: Na, so wie ihr mir von dieser Aue schwärmt, werdet ihr wohl euer neues Dorf nach ihr benennen wollen. Oder habt ihr an einen Namen aus eurer alten Heimat gedacht?
2. Bauer: Ein neuer Anfang erfordert auch einen neuen Namen. (an die übrigen Siedler gewandt:) Oder was meint ihr?
Anführer: Mir gefällt er auch, aber zunächst haben wir an wichtigeres zu denken.
Alter Mönch: Es wird kein leichter Anfang werden.
1.Bauer: Eure Werber haben uns das schon gesagt. Aber wir wollen gern von früh bis in die späte Nacht schuften, wenn wir wissen, daß wir es für uns und unsere Kinder tun.
2. Bauer: In unserer alten Heimat mußten unsere Familien auch rackern, aber den Ertrag haben sich die Ritter genommen. Außerdem haben sie sich bei jeder Gelegenheit befehdet und dabei obendrein noch unsere Hütten zerstört.
Junger Mönch: Hier seid ihr frei und wir werden euch unterstützen wo wir nur können.
Alter Mönch: (zurückhaltend) Unser Kloster besteht auch noch nicht lange und seine Möglichkeiten sind begrenzt.
Junger Mönch: (begeistert) Über den Berg gen Mitternacht liegt ein "Altes Dorf", daß ich als Seelsorger betreue. Dort könnt ihr bestimmt Stroh für die Dächer eurer Häuser bekommen. Die dort lebenden Jäger haben mir erzählt, daß sie auf eurer zukünftigen Dorfflur ein gutes Lehmvorkommen entdeckt haben.
2. Bauer: Na, dann können wir sofort mit dem Hausbau beginnen. Holz für das Fachwerk und für die Balken steht hier genug herum, wir müssen es nur fällen.
1. Bauer: Besser wäre es erst Wald für die Felder zu roden, damit die Saat in den Boden kommt und wir vor dem Wintereinbruch möglichst noch ernten können.
Anführer: Wir werden das eine tun und das andere nicht lassen. Notfalls müssen wir im nächsten Jahr noch einmal von unseren Vorräten leben. (zum jungen Mönch gewandt) Eure Jäger werden doch hoffentlich nur die Wölfe und Bären gejagt und nicht alle Hirsche und Schweine ausgerottet haben.
1. Bauer: Es wird jedenfalls ein schweres Jahr werden. Hoffentlich werden wir es überstehen.
Mädchen: Denkt ihr denn daß Gott uns bis hierher gebracht hat, nur damit wir hier umkommen?
2. Bauer: Du hast recht. Wir planen und planen und haben dabei das wichtigste vergessen.
Anführer: (nickt zustimmend, an die Mönche gewandt) Gibt es hier in der Nähe eine Kirche oder Kapelle, in der wir Gott danken und gleichzeitig seinen Segen für unsere weiteren Vorhaben erbitten können?
Alter Mönch: Wenn ihr dieser Frankenstraße weiter gen Morgen folgt, dann steht dort, wo sie sich mit der nach Böhmen führenden Straße kreuzt, eine Kapelle. Sie ist dem Hl. Nikolaus geweiht. Sie wird auch eure Kirche werden. Dort werden wir mit euch in Zukunft die Heilige Messe feiern.
2. Bauer: Der Hl. Nikolaus ist aber der Schutzpatron der Händler und Fuhrleute?
Alter Mönch: Durchreisende Händler werdet ihr dort bestimmt treffen. Von ihnen könnt ihr Salz zum Anlegen der Wintervorräte erwerben.
Jüngerer Mönch: Der Hl. Nikolaus ist aber auch der Schutzpatron der Kinder! Und Kinder werden doch hoffentlich in Schönau recht viele geboren.
Anführer: Hoffentlich so viele, daß einige davon weiter ziehen und unser Können und unseren Glauben in diesem Land weiter ausbreiten können.
Alter Mönch: Wir werden über Nacht bei euch bleiben. Morgen gehen wir zusammen eure Flurgrenzen ab und überreichen euch die Besitzurkunden.
Junger Mönch: Doch zuvor laßt uns Gott unserem Vater für diesen in eurem Leben so entscheidenden Tag danken und ihn bitten, daß ihr in Schönau noch viele glückliche Jahre erlebt. (singt) Dominus vobiscum. (alle singen:) Et cum spiritu tuo.
Mönche: ( singen) Iam sol recedit igneus... (Anlage 1)
Mädchen: (sinnend, mehr zu sich gesprochen) Ein schönes Lied! Wenn man nur verstehen könnte, was sie singen. Ob sie es selbst wissen?
Alter Mönch: Natürlich wissen wir, was wir singen, aber in welche der vielen deutschen Dialekte sollte man dieses Lied übersetzen?
Anführer: Auf unserer Reise sind wir mit Siedlern aus vielen deutschen Gegenden zusammengekommen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten konnten wir uns ganz gut verständigen.
Alter Mönch: Vielleicht entsteht hier an der Mark Meißen eine Sprache, die alle Deutschen verstehen.
Junger Mönch: Ich habe einmal versucht, das Lied ins Deutsche zu übertragen. Ob es mir gelungen ist, weiß ich nicht.
"Schon sinkt der Sonne Glut dahin. Du Licht der ew'gen Einigkeit, glückselige Dreifaltigkeit, erfüll mit Liebe unser Herz.
Dich rühmt des Morgens unser Lied, auch abends beten wir Dich an: gewähr uns, Herr, zu loben Dich, in großer Himmelschar vereint.
Dem Vater, gleicherweis dem Sohn, ingleichen Dir, dem Heil'gen Geist, wie einst es war, so auch noch jetzt und ewiglich sei Ruhm und Ehr. Amen."
Mädchen: Jetzt gefällt mir euer Lied noch viel besser. Aber unserer Reiselied ist auch schön. Kennt ihr es? (intoniert:) "In Gottes Namen fahren wir..."
(Beim Auszug singen alle den 3. Vers. Im Vorraum drehen sich alle um, so daß der 4. Vers von hinten in die Kirche gesungen wird.)
So ungefähr könnte es gewesen sein. Wir wissen nicht einmal genau, wann es gewesen ist, denn den Chronisten war die Gründung eines so kleinen Dorfes keine Zeile wert. Schönau wird etwa Mitte des 12.Jh. gegründet worden sein. Eines aber wissen wir, daß wir stolz sein können auf die Leute, die sich mit der High tech des 12. Jh. - dem eisernen Wendepflug und der Dreifelderwirtschaft - an die schweren Böden des Miriquidi wagten. Einige Historiker sind sogar der Meinung, daß in Deutschland nie wieder so hart gearbeitet wurde wie bei der Besiedelung des deutschen Ostens.
Oft wird das Mittelalter als eine dunkle finstere Zeit beschrieben. Verglichen mit der Hochkultur des untergegangenen Römischen Reiches mag das stimmen. Wenn man aber die Leistungen betrachtet, die im 12. Jh. erbracht wurden, so ist das nur mit der Lebensfreude dieser Menschen und dem festen Halt zu erklären, den die Kirche der ganzen Gesellschaft gegeben hat.
Wir hören jetzt ein Liebeslied aus dieser Zeit: " Kumm Geselle min...", gesungen von Kirsten Rottluff und Sebastian Schilling. (Anlage 2)
In nur wenigen Jahrzehnten hatte sich die Einwohnerzahl im heutigen Sachsen von 40 000 auf 400 000 verzehnfacht. Damit war auch die Infrastruktur für den nachfolgenden Bergbau geschaffen, der wiederum Sachsen innerhalb kurzer Zeit zur reichsten deutschen Region werden ließ. Man war so reich, daß man glaubte, das Land ohne Schaden vorübergehend in ein Ernestinisches und ein Albertinisches Gebiet teilen zu können. So geschehen in der Leipziger Teilung von 1485.
A propos Leipzig. Hier gab es seit 1407 eine Universität. Aber Leipzig lag im Albertinischen. Also gründeten die Ernestiner 1502 flugs eine eigene. Und wo? In einem "Nest" an der Elbe, in Wittenberg. Der Ausdruck "Nest" stammt übrigens nicht von mir.
Der Dekan der Theologischen Fakultät suchte dringend weitere Lehrer und entsann sich dabei eines Mönches aus Erfurt. Der kannte sich in der Bibel aus. Und vor allem: Er war im Stande sie auf die derzeitigen Verhältnisse umzusetzen, in dem er in einer Sprache predigte, die jeder verstand. Wenn es gelingen würde, das dem theologischen Nachwuchs zu vermitteln, dann müßte es doch gelingen, den Unmut der Handwerker und Bergleute gegen die Amtskirche zu entschärfen. Eine Re-Form von oben, also von Rom, schien aussichtslos. Die Reformkonzilien hatten nur bewirkt, daß die jungen Nationalstaaten England und Frankreich verhinderten, daß die Kirchengelder außer Landes gingen. Um so mehr richtete sich die Begehrlichkeit des Vatikan auf Deutschland, vor allem auf das reiche Sachsen.
Sie merken bestimmt schon lange, wo ich hin will, aber mit der Reformation in Schönau dauerte es etwas länger, denn hier regierten die Albertiner. Genauer gesagt Georg, der sich seit dem Tod seiner Frau nicht mehr rasierte und den man deshalb den Bärtigen nannte. Wo gibt es solche Liebe heute noch?
Auch er wollte die Kirche in seinem Einflußgebiet erneuern, aber er scheiterte am Widerstand der Kirchenleitung. Es waren vor allem die Domherren und der Bischof von Meißen, die ihre Besitzstände verteidigten und dabei lieber die Einheit der Kirche aufs Spiel setzten. Als Georg 1539 gestorben war, gab es für die Reformation hier keinen Widerstand mehr.
Einige von Ihnen könnten sagen: Wozu läßt der sich hier lang und breit über diese Zeit aus, in der in Schönau doch nichts passiert ist. Im Prinzip ja, aber Schönau wurde damals privatisiert. Der Ausdruck kommt Ihnen irgendwie bekannt vor? Er ist bewußt so gewählt! Lassen Sie sich von uns in das Jahr 1540 versetzen...
REFORMATION
Ort : in Schönauer Gut
Zeit : 1540
Personen : Gutspächter Peter Bütner - Bernd Markert
Bauer - Michael Markert
1. Visitator - Steffen Rottluff
2. Visitator - Hendrik Rottluff
Bütner: (sitzt am Tisch) Heute sollen die Visitatoren kommen. Sie wollen auf ihrem Weg in die im Westen von Chemnitz liegenden Gemeinden bei mir übernachten. Na, vielleicht erfahre ich dabei etwas Neues darüber, was mit dem Klosterdorf Schönau geplant ist. (klingelt)
Bauer: (tritt auf) Ihr habt mich rufen lassen, Herr?
Bütner: Ich wollte mit dir reden über diesen neuen Glauben, der bei uns nun schon vor einem Jahr eingeführt wurde. Was meinst du, ist es jetzt besser oder schlechter als früher?
Bauer: Für uns in Schönau hat sich bisher nicht viel geändert. Außer, daß wir nun schon seit über einem Jahr keinen Pfarrer in St. Nicolai haben... (überlegt) Doch, etwas ist besser, bei den Beerdigungen geht es jetzt ohne "lux et crux", da kann man Geld sparen.
Bütner: Geld ist das einzige, was euch Bauern interessiert! Wenn dich meine Gäste nach der neuen Zeit fragen sollten, dann erzähle ihnen lieber, wie gut es euch Schönauern unter meiner Verwaltung geht.
Bauer: (nickt) Ja, Herr.
(Visitatoren treten auf, Bütner geht ihnen entgegen und begrüßt sie freundlich.)
Bütner: Welche Ehre für Schönau! Treten Sie ein. Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten? (zum Bauern:) Bring Bier für die Herren!
1. Visitator: Da können wir gleich auf das Wohl des neuen Pfarrers anstoßen.
Bütner: Haben Sie endlich für St. Nicolai jemand gefunden?
1. Visitator: Es war gar nicht so leicht. Auf den Dörfern haben wir oft Handwerksmeister aus dem Albertintischen eingesetzt. Es ist erstaunlich, wie sich diese Leute in den wenigen Jahren in die Bibel eingelesen haben und das Evangelium an die Gemeinde weitergeben können.
Bütner: Ein Handwerker als Pfarrer, geht denn das? Er muß doch auch eine Gemeinde führen können.
1. Visitator: Lesen und schreiben muß er schon können. Schon damit er die von Magister Melanchthon verfaßte "Richtlinie für Visitatoren" lesen kann, die gleichzeitig seine Arbeitsrichtlinie ist. Und rechnen können die Handwerker alle, besser als mancher Pfarrer.
2. Visitator: Aber für so eine stadtnahe Kirche wie St. Nicolai brauchen wir schon einen ausgebildeten Theologen. (an Bütner gewandt) Sie kennen den neuen Pfarrer. Er ist geborener Chemnitzer. Hat aber schon einige Jahre im Altenburgischen als Pfarrer gewirkt und ist deshalb gut mit der Lehre unseres Doktor Martin Luther bekannt. Er ist noch Kaplan an St. Jacobi.
Bütner: Dann ist es der Nicolaus Thiele. Konnten sie ihn überzeugen? Bisher hat ihn das baufällige Pfarrhaus abgehalten.
1. Visitator: Das Dach ist neu mit Stroh gedeckt. Aber im Inneren liegt wirklich vieles im argen. Hier muß er noch einiges in Ordnung bringen lassen.
2. Visitator: Wir haben die Pfarre mit verschiedenen Lehen ausgerüstet, von denen er Pachtzins erhält.
1. Visitator: Außerdem darf er acht Kühe halten.
Bütner: Ist das nicht zuviel? Da werden sich die Bauern aus der Nicolausgasse aber bestimmt sehr freuen!
1. Visitator: Aus diesem Grund haben wir ihm auch die Grasnutzung auf dem Friedhof genehmigt.
Bauer: (bringt drei Bierkrüge und stellt sie auf den Tisch) Sehr zum Wohl die Herren!
2. Visitator: (nachdem er getrunken hat) Ein gutes Bier! Ist es aus Chemnitz?
Bütner: Als Klosterdorf dürfen wir selbst brauen.
2. Visitator: (zum Bauern) An wen liefert ihr dieses Bier?
Bauer: (unsicher) Bis voriges Jahr auch an die Mönche, die in Chemnitz Priester waren.
2. Visitator: Und die betrieben dann in ihrer Wohnung eine regelrechte Schenke.
1. Visitator: (an den Bauern gewandt) Na, freust du dich schon, daß im Gottesdienst jetzt nicht mehr nur der Pfarrer und die Mönche singen? Jetzt könnt ihr alle mitsingen. Man nennt das Choral. Der neue Pfarrer wird euch bestimmt viele lehren.
Bauer: (begeistert) Auch das Lied von der festen Burg mit der guten Wehr und Waffen?
1. Visitator: Das kennst du wohl schon? Gefällt es dir?
Bauer: (unsicher) Na, bis jetzt durften wir das Lied hier in Schönau nicht singen!
Bütner: (erregt) Bewaffnete Bauern, das fehlte noch! Da hat vor etwa 15 Jahren unser Kurfürst Georg durchgegriffen. Seitdem ist hier Ruhe.
2. Visitator: Und Sie haben ihn dabei tatkräftig unterstützt. Zum Dank dafür sind Sie mit dem Dorf und dem Gut Schönau belehnt worden!
Bütner: Woher wissen Sie das?
1. Visitator: Wir haben es im Klosterarchiv gelesen. Und sie wissen doch, in einem deutschen Archiv kommt nichts weg.
Bütner: Aber wenn man für das Recht eingetreten ist, ist man doch nicht gegen den neuen Glauben?
2. Visitator: Der Bauernkrieg war eine verwickelte Geschichte, die man nicht mit zwei Sätzen erklären kann. Aber sie wollen doch sicher wissen, ob sie weiter mit Schönau belehnt bleiben?
Bütner: Ich bin erblich belehnt.
2. Visitator: Der neue Kurfürst ist der Besitzer des Klosters. Er wird sicher den größten Teil bald verkaufen. Sie wissen doch, Regierungen brauchen immer Geld.
1. Visitator: (korrigierend) Das Geld wird vorwiegend zum Aufbau des Schulwesens benötigt. Doch zurück zur festen Burg: Herr Bütner, Sie sollten beim Singen des Liedes auch auf die weiteren Verse achten. Vielleicht vergleichen Sie es auch einmal mit dem 46. Psalm, nach dem es gedichtet ist.
2. Visitator: Die neue Zeit erfordert Lesen. Und bei dem neuen Glauben sollten man auch selbst die Bibel lesen. (zum Bauern gewandt) Oder sich vorlesen lassen.
Wir werden Ihnen das Lied einmal vorsingen. (zum Bauern) Du kennst es doch.
Bauer: (nickt) Na klar.
(Der 2. Visitator übergibt Bütner ein Gesangbuch. Alle singen den 1. Vers. Danach singt der Chor mit der Gemeinde einstimmig den 2. Der 3. Vers wird vom Chor nach dem vierstimmigen Satz von Johann Walter gesungen.->Anlage 3) |
Sie werden sich über die Melodie der "Festen Burg" und über den herben vierstimmigen Satz gewundert haben. Beides ist aus der Reformationszeit.
Im ausgehenden Mittelalter bis ins 16. Jh. wurden in den Städten Deutschlands große Vermögen angehäuft. In Sachsen stand dabei Leipzig an der Spitze, vor anderen Städten wie Chemnitz. Das Kapital stammte vorwiegend aus dem Fernhandel. Um dieses Geld weiter zu vermehren, mußte man es gut anlegen. So in den Zukunftstechnologien wie Buchdruck, Hüttenwesen und Textilmanufakturen. Viel Geld ging auch in den Bergbau, damit dieser mit besserer "Kunst" in größere Tiefen vordringen konnte. Die beste Investition aber war, es den Regierenden zu borgen. Dafür erhielt man Insiderinformationen und konnte sich Privilegien erkaufen oder neu bestätigen lassen.
Diese Weiterentwicklung brachte für Schönau keinen Vorteil. Im Gegenteil, die wichtige Handelsstraße, an der es lag, wurde auch vom Militär gern genutzt. Und Kriege gab es in diesem Zeitraum genug. In ihnen wurde um die Vorherrschaft in Deutschland und zuletzt um die Herrschaft über Deutschland gestritten. Durch die Spaltung der Kirche erhielten die Kriege oft noch einen religiösen Anstrich.
Für Schönau war es in dieser Zeit besonders schlimm, denn es lag in unmittelbarer Nähe der "festen Stadt Chemnitz", deren Einnahme lange dauerte, oder oft gar nicht gelang. Inzwischen fraßen die Soldaten die Umgegend ratzekahl.
Auch die Kirche der Schönauer, die "ex murus", also außerhalb der Stadtmauer lag, wurde bei diesen Auseinandersetzungen oft zerstört. Der bei der Kirche gelegene Friedhof war ein beliebter Standort für die Artillerie, um Chemnitz zu beschießen.
Am schlimmsten war die Zeit des 30jährigen Krieges. In dieser Zeit war der erst 25jährige Georg Richter Pfarrer in St. Nicolai geworden. Von ihm wissen wir, daß Kirche, Schule und Pfarre in Trümmern lagen und daß der Gottesdienst in den Häusern gehalten werden mußte. Wenn der Pfarrer Arme und Kranke besuchte, so waren diese Amtswege mit Lebensgefahr verbunden. Denn die umherstreifenden Soldaten kümmerte es nicht, wen sie gerade ausplünderten.
Trotz der Kriegswirren legte er bereits 1634 den neuen Grundstein für die zerstörte Kirche. Den Bau konnte er nicht vollenden, denn 1640 zog er sich lieber hinter die schützenden Stadtmauern zurück, auch wenn er an St. Jacobi nur eine Stelle als Diakon erhielt.
Unter seinem Nachfolger Johannes Köhler vollendete die Gemeinde unter unsäglichen Opfern den Bau. Ob dabei auch Schönauer geholfen haben, wissen wir nicht.
Bei der Übergabe von Schönau an Capitain Wolf von Carlowitz finden wir weder ein Erbregister noch sind irgendwelche Untertanen erwähnt. Wahrscheinlich hat Schönau zu dieser Zeit bereits wüst gelegen. Warum sollte man auch die Felder bebauen, wenn man wußte, daß die Ernte sowieso geraubt wurde? Wo sollte man wohnen, wenn alle Häuser zerstört waren? Wurden die Einwohner von der Pest dahingerafft oder sind sie in sichere Gegenden ausgewandert? Wir wissen es nicht.
Nur eines wissen wir, daß die Chemnitzer, sobald der Krieg zu Ende war, wieder auf ihre alten Rechte pochten, die sich aus der Bannmeile ergaben. Ab 1650 unternahmen sie wieder Bierausfälle in die umliegenden Dörfer. Wann sie das erste Mal in Schönau waren, wissen wir nicht. Aber daß sie 1703 hier waren ist gesichert, denn der jetzt dargestellte Vorfall hat in nachhinein die Gerichte beschäftigt.
BIERKRIEG
Ort: in der Schönauer Schenke
Zeit: 1703
Personen: Wirt - Gottfried Schaarschmidt
Knecht - Rainer Fritsch
Magd - Daniela Engel
Reisender - Holger Lehnert
Reisende - Esther Butte
1. Chemnitzer - Mathias Fritsch
2. Chemnitzer - Benjamin Schaarschmidt
Chemnitzer und Schönauer - Junge Gemeinde
(Der Wirt sitzt am Tisch, Reisende treten auf. Der Wirt steht auf.)
Reisender : Gott zum Gruß, Herr Wirt! Ist das eine Hitze heute. Wir brauchen dringend einen guten Tropfen, um uns den Straßenstaub hinunter zu spülen.
Wirt: (zur Magd) Hol' den Herrschaften eine Kanne von unserem Besten!
(Wirt setzt sich zu den Gästen an den Tisch, danach singt der Chor "Wir lieben sehr im Herzen.." -> Anlage 4. Während dieser Zeit schenkt die Magd den Gästen mehrmals mit einem freundlichen Anblick ein.)
Reisende: Schön ist es hier bei euch. Mir war gerade, als ob ich eines der neusten Lieder über Musik, Wein und Liebe gehört hätte.
Wirt: Es freut mich, daß es den Herrschaften gefällt. Daß es hier schön ist, besagt schon unser Ortsname.
Reisende: Schönau, das wurde mir schon in Chemnitz empfohlen, als ich mich über die Ungenießbarkeit des dortigen Bieres beklagte. (zum Wirt gewandt) Unter der Hand natürlich.
Wirt: So? Herr von Duppau braut nur für den Eigenbedarf und für die Chemnitzer Garnison, deren Kommandant er ist!
Reisende: Und deshalb hat er extra eine neue Brauerei gebaut?
Wirt: Die Garnison ist groß und die Soldaten sind durstig, besonders nach dem Exerzieren.
Reisender: Die mir den "Geheimtip Schönau" gaben, sahen nicht wie Soldaten aus.
Wirt: Ihr wollt doch bestimmt hier übernachten, gehört also nach Gastrecht vorübergehend zu meiner Familie. Dann wäre das Bier gewissermaßen "Eigenbedarf". (zum Knecht) Hol' für uns drei Krüge "Haustrunk"!
Reisende: Der Besitzer von Schönau ist doch Herr von Duppau. Hat er etwa schon zu Lebzeiten ein Legat zur Unterstützung der Armen gestiftet?
Wirt: Nein, das war sein Bruder Oberst Bernhard von Duppau. Der wollte damit bestimmt sein Gewissen entlasten und einen Bruchteil dessen zurück geben, was er vorher aus den Schönauern herausgepreßt hat.
Knecht: (bringt drei Bierkrüge) Sehr zum Wohl! (sie trinken)
(Chemnitzer treten auf)
1. Chemnitzer: (zu den Gästen) Na, schmeckt das Schönauer Bier?
Reisender: Das Bier schmeckt sehr gut! Wie kommt ihr darauf, daß es aus Schönau ist?
1. Chemnitzer: (zum Wirt) Ihr habt schon seit mehreren Wochen kein Bier in Chemnitz gekauft. Nach so langer Zeit kann ein Bier nicht mehr gut schmecken.
Wirt: Euer Bier kann man schon am nächsten Tag nicht mehr trinken. Meinen persönlichen Gästen kann ich doch mein Bier verschenken, oder?
1. Chemnitzer: Wer deine persönlichen Gäste sind entscheiden wir! (zu den Chemnitzern) Ab in den Keller und trinkt bis nichts mehr übrig ist! ( Chemnitzer gehen durch den Mittelgang ab)
2. Chemnitzer: (geht als letzter) Na, ob wir es diesmal wieder schaffen? Wir geben jedenfalls unser Bestes.
Wirt: (zum Knecht) Schnell, lauf zu Herrn von Duppau und sag ihm, daß die Chemnitzer wieder da sind, um einen ihrer Bierausfälle zu veranstalten . (zu den Gästen) Viel kann uns nicht mehr passieren, denn seit einem Jahr haben wir sogar eine Braugenehmigung.
Reisende: Und vorher?
Wirt: Da stand die Brauerei schon zehn Jahre!
Reisende: Haben denn die Chemnitzer darüber nicht bei der Regierung geklagt?
Wirt: Geklagt schon, aber welcher Kurfürst, der gerade König von Polen werden will, legt sich schon gerne mit seinem Militär an.
(Aus dem Vorraum ertönt der Kanon "Der Männerchor trinkt Bier vom Faß..." mit verändertem Text "Wir trinken heute Bier für naß, das Strafen macht uns großen Spaß...")
Reisender: (zum Wirt) Na, euer Bier scheint langsam seine Wirkung zu zeigen.
Wirt: Die Chemnitzer sind nichts Gutes gewöhnt. Unser Bier dürfen sie nicht so schnell trinken wie ihre Plempe. (Knecht tritt auf) Na, was sagt der Herr?
Knecht: (militärisch knapp) Feind in Sicherheit wiegen, Maßnahmen zur Desorientierung nicht stören, beim Rückzug Nachhut angreifen.
Wirt: (militärisch) Rekrutiere aus den Schönauern eine Feldjägertruppe!
Knecht: (salutiert) Jawohl, Herr Wirt!
(Aus dem Vorraum hört man, wie Holz zerschlagen wird. Chemnitzer treten auf, man sieht die Wirkung des Bieres.)
1. Chemnitzer: Ganz haben wir es nicht geschafft. Mit dieser Menge hättet ihr die ganze sächsische Armee beliefern können.
2. Chemnitzer: Damit dieser Spuk endlich ein Ende hat, haben wir euch gleich noch die Fässer demoliert.
Wirt: Das ist ungesetzlich, das wird euch teuer zu stehen kommen!
2. Chemnitzer: (an seine Leute) Jetzt hat er auch noch die große Klappe. Los, zeigt ihm, wer hier im Recht ist.
(Die Chemnitzer demolieren das Mobiliar der Gaststätte und gehen in die Sakristei ab. Die Schönauer kommen durch den Mittelgang und folgen den Chemnitzern in die Sakristei. Von dort hört man Schläge und Klagen. Nach einer Weile kommen die Schönauer zurück, einige haben "Blutflecken" im Gesicht.)
Wirt: Ein paar von euch hat es auch erwischt. Hoffentlich habt ihr keinen von den "Bierräubern" erschlagen.
Knecht: Keine Angst, wir wissen schon, wohin wir die Denkzettel kleben müssen. Die kommen bestimmt nicht so bald wieder.
Wirt: (zum Knecht) Na, hol' für die Feldjäger ein Fäßccen.
Reisender: Habt ihr noch Bier?
Wirt: Naklar, wir müssen doch die Garnison beliefern.
Historie von 1703-1887
Sie haben sicher sofort gemerkt, daß der Kanon, den die Chemnitzer im Keller der Schönauer Schenke sangen, neueren Datums war. Aber wir haben einfach kein Trinklied aus dem 18. Jh. gefunden, in dem es ums Bier geht.
Lange konnten sich die Chemnitzer über die - wenn auch etwas mißglückte - Strafaktion gegen Schönau nicht freuen. Denn in dem Prozeß, den Herr von Duppau gegen die Chemnitzer anstrengte, wurden die brauberechtigten Chemnitzer Bürger schuldig gesprochen. Sie mußten außer einer Strafe auch die Schäden, die sie an der Schenke und auch am Haus des Dorfschulzen angerichtet hatten, voll bezahlen. Damit war der seit Jahrhunderten immer wieder aufflammende Streit zwischen Chemnitz und Schönau um die Herstellung des zweitliebsten Getränks der Deutschen endgültig beigelegt.
Nun werden sie fragen: Was hat denn das mit der Schönauer Kirchgemeinde zu tun? Nun, erstens fanden wir die Geschichte interessant und zweitens wurde damit neben der schon bestehenden Ziegelei ein weiterer Schritt vom Bauerndorf zum Gewerbestandort getan. Das führte zum weiteren Ansteigen der Bevölkerung.
Ebenfalls im 18. Jh. spielte sich in Dresden eine Geschichte ab, die für Schönau noch von großer Bedeutung sein sollte:
Der Herr von Limbach brauchte dringend ein Paar Strümpfe. Die konnte man damals nicht - je nach Geldbeutel - bei C&A oder Peak & Cloppenburg kaufen. Die wurden noch richtig von Hand angefertigt. Der einzige Wirkstuhl in Sachsen wurde in Dresden von einem Franzosen betrieben. Als sich besagter Herr von Limbach in Dresden am Hofe aufhielt, schickte er seinen Diener namens Esche dort hin. Der muß aber ein ziemlich pfiffiger Bursche gewesen sein, denn wieder in Limbach angekommen, baute er den Wirkstuhl einfach nach. Da ihm noch einige Details fehlten, überredete er seinen Herrn zu einem weiteren Paar Strümpfe. Bei deren Kauf konnte er die ihm noch unklaren Dinge genau studieren. Als der Wirkstuhl funktionierte entließ ihn sein Herr aus seinem Dienst und half ihm mit einem Kredit in die Selbständigkeit. Der Mann hatte erkannt, daß in Zukunft mehr mit Gewerbesteuern zu verdienen war als mit dem Frondienst.
Von Limbach aus verbreitete sich die Wirkerei von Strümpfen, später von Handschuhen und anderen Textilien über das gesamte Umland auch nach Schönau und Neustadt.
Schönau hatte auch im 18. Jh. in den Kriegen durch seine Lage an der "Heerstraße B173" viel zu leiden. So im Nordischen Krieg, im Siebenjährigen Krieg und in den Napoleonkriegen. Von August bis Dezember 1808 sollen hier 180 000 Mann durchgezogen sein. Und sie sind vorwiegend gelaufen. Davon bekommt man Hunger und deshalb brauchten sie gutes Essen.
Trotzdem ist die Industrialisierung weiter gegangen, denn 1820 nennt August Schumann - sein Sohn Robert ist ihnen sicher bekannter - Schönau ein "stark bevölkertes Fabrikdorf im Erzgebirge, 5/8 Stunde von Chemnitz entfernt". Das waren also 37 Minuten. Da muß man schon ganz schön ausschreiten beim sonntäglichen Kirchgang. Die Bauern werden bestimmt oft mit den Pferden gefahren sein. Aber die Handwerker und Arbeiter mußten laufen.
Der Drang "weg von St. Nicolai" war deshalb bei allen aufstrebenden Industriegemeinden groß. Altchemnitz und Altendorf gründeten eigene Gemeinden. Schönau, Kappel und Neustadt planten einen Gemeindeverbund. Der damalige Superintendent Michael konnte nur durch Einschaltung der Landeskirche die Loslösung von Kappel verhindern.
Der Vorschlag, eine neue gemeinsame Kirche in der "Kappeler Drehe" zu bauen, wurde von den Schönauern und Neustädtern nicht angenommen.
Am 1. Januar 1884 wurden Schönau und Neustadt eigene Parochien und schlossen sich zu einem Kirchgemeindeverband zusammen. Vom Gastwirt Zinn erwarb man im Mai ein Baugrundstück.
Bereits im Februar 1885 erfolgte ein Konkurrenzausschreiben. Unter den 23 eingegangenen Entwürfen wählte man den von Professor Knothe-Seeck aus Zittau aus.
Am 12. Mai 1885 erfolgte der erste Spatenstich und am 8. Juni wurde durch Superintendent Michael der Grundstein gelegt.
In nur 1 1/2 jähriger Bauzeit wurde unsere Kirche fertiggestellt , so daß man am 9. Januar, also mitten im Winter, Kirchweih feiern konnte.
Was noch fehlte, war ein Kirchenchor. Aber da wußte man sich zu helfen.
GRÜNDUNG DES CHORES
Ort: in Zinn's Gasthaus
Zeit: Januar 1887
Personen: Lehrer Fickel - Kantor Christian Kühne
Vorstand Luis Ripp - Steffen Rottluff
1. Sänger - Bernd Markert
2. Sänger - Michael Markert
1. Sängerin - Astrid Großer
2. Sängerin - Angelika Grimm
Gastwirt Zinn - Mathias Fritsch
Sängerinnen und Sänger des Kirchenchores
( Die Sänger treten nacheinander auf und bestellen beim Wirt Getränke, die dieser während des Dialoges bringt.)
Vorstand: Ich heiße euch, liebe Sangesbrüder, zu unserer heutigen Probe recht herzlich willkommen. Sie wird etwas ganz besonderes werden, denn es werden heute noch die Damen zu uns stoßen.
1.Sänger: Also sollen wir möglichst leise rülpsen.
Vorstand: Am besten gar nicht. Ihr könnt doch Wein trinken. Für die Herren Tenöre wäre das sowieso generell empfehlenswert.
2. Sänger: (zum Vorstand) Herr Vorstand Ripp, ich nehme an, daß die Einweihung unserer Schönauer Kirche bald bevorsteht.
1. Sänger: Kirchweih im Winter. Ich friere schon, wenn ich daran denke.
Vorstand: Trotz der Kälte sind die Innenarbeiten gut voran gekommen. Hierbei kommt uns die moderne Dampfheizung bereits gut zu passe.
2. Sänger: Werden wir als Schönauer Männerchor auch zur Kirchweih singen?
Vorstand: Natürlich, so wie wir das bisher bei kirchlichen Veranstaltungen in der Schule, in der Kapelle des Rittergutes und auch in der Nicolaikirche immer gern getan haben. Aber der Kirchenvorstand und auch Lehrer Fickel sind der Meinung, daß wir zur Kirchweih eine Kantate mit unserer neuen Orgel aufführen sollten. Und dazu ist ein gemischter Chor erforderlich. (L ehrer tritt auf) Ah, da kommt schon unser Liedermeister. Einen recht schönen Guten Abend, Herr Lehrer Fickel.
Lehrer: Guten Abend allerseits. Wir müssen uns heute beeilen, denn ich habe heute noch eine Überraschung für sie.
1. Sänger: (gelangweilt) Wir wissen schon - die Damen.
Lehrer: Nanu, wer hat denn hier wieder geplaudert. Sie freuen sich wohl gar nicht?
2. Sänger: Wenn sie nicht zu alt sind?
Lehrer: Es sind die musikalisch begabtesten unter meinen Konfirmandinnen der letzten Jahre.
2. Sänger: (hintergründig) Das klingt nicht schlecht!
Lehrer: Das hoffe ich auch, geben sie sich nur Mühe, meine Herren. Mit den Damen habe ich schon geprobt, die bringen ihren Part. Doch zuerst proben wir den Männerchor. Wir werden während der Ausspendung des Abendmahles das "Heilig" aus Schuberts Deutscher Messe singen. Das Lied wurde zwar schon vor 60 Jahren komponiert, aber wie ich sie kenne, lieben sie es.
(Während der Lehrer den Ton angibt, kommt der Frauenchor und bleibt in den Gängen stehen. Der Männerchor singt "Heilig ist der Herr" von Schubert -> Anlage 5)
1. Sängerin: Ich finde Männerchor toll, du auch?
2. Sängerin: Meinst du die Männer oder den Chor?
1. Sängerin: Was du schon wieder denkst! Mir geht es nur um die Kunst.
2. Sängerin: (hintersinnig) Kunst ist gut, auch mir geht es nur um die Kunst.
1. Sängerin: Bist du auch so aufgeregt? Hoffentlich singe ich nicht falsch und muß allein singen.
2. Sängerin: Natürlich bin ich auch aufgeregt. Aber ob ich mich über allein singen ärgern würde, weiß ich nicht.
( Lehrer dreht sich um)
Lehrer: Ah, da sind schon unsere Damen. Bitte kommen sie doch herein. Wir stellen uns am besten so auf, wie wir in der Kirche stehen werden. Dazu müssen Sie sich allerdings vom geliebten Bier trennen und hier nach vorn kommen.
( Der Lehrer ordnet die Männer an und wendet sich dann an die Damen. Dabei zieht er die 2. und die 1. Sängerin so hinter sich her, daß sie vor den Männern zu stehen kommen)
Lehrer: Ehe wir beginnen, wollte ich Ihnen noch etwas über das Werk erzählen, daß wir aufführen wollen. Es ist eine Kantate. Der Text wurde aus Bibelstellen, die zur Kirchweih passen, zusammengestellt. Die Musik stammt aus der Feder des Plauener Musikdirektors Gast. Sie ist sozusagen brandneu.
1.Sänger: Besser als wenn sie aus dem vorigen Jahrhundert stammen würde. Mein Geschäftspartner singt in einem Chor, die proben jetzt ein Werk von Bach, das muß eine unmögliche Musik sein. Und deren Liedermeister ist wie verrückt auf dieses Zeug.
Lehrer: Bach ist der größte deutsche Kirchenmusiker. Mendelssohn hat ihn für uns erst wieder neu entdeckt.
1. Sänger: Ja, Mendelssohn - dessen Musik gefällt mir auch sehr gut.
Lehrer: Der Komponist unserer Kantate war ein Freund Mendelssohns - und damit schließt sich der Kreis bis heute. Ich jedenfalls hoffe, daß wir in Schönau auch einmal in der Lage sind, die wunderbare Musik eines Johann Sebastian Bach zu singen. Aber dazu müssen wir noch viel üben.
(Der Lehrer geht zum Harmonium. Der Chor singt einen Satz aus der Kantate "Freuet euch in dem Herrn alle Wege" von F. M. Gast.->Anlage 6)
Lehrer:
Heute müssen wir noch mit diesem modernen Orgelersatz vorlieb nehmen. Aber bald können wir in unserer neuen Kirche mit der modernen Kreutzbachorgel musizieren, die sich mit 1319 Pfeifen in 27 Registern würdig in die Reihe dieser jahrhundertealten Instrumente einfügt. Ich konnte auf ihr bereits üben. Sie ist wunderbar auf den Kirchenraum abgestimmt.
Vorstand:
Herr Lehrer Fickel, wir möchten ihnen bereits jetzt dafür danken, daß sie sich so sehr für die Schönauer Kirchenmusik eingesetzt haben. Ich denke, bald können wir sie mit Herr Kantor ansprechen.
Lehrer:
Das wäre mir eine große Ehre.
Historie von 1887 - 1942
Von Gründung der Schönauer Kirchgemeinde bis 1952 waren die Kantoren gleichzeitig Lehrer an der Schönauer Schule. Dadurch lag die Nachwuchsarbeit über viele Jahre in guten Händen. Es waren dies von 1887-1901 August Hermann Fickel, 1901-1935 Linus Jaehnig, 1936 -1962 Max Wendler. Bis 1945 waren diese Herren auch gleichzeitig Liedermeister, d.h. künstlerische Leiter des Männergesangvereines.
Kurz nach der Gründung des Kirchenchores wird berichtet, daß sich die Frauen der Kirchenchorsänger beschwerten, weil ihre Männer nun zweimal in der Woche zur Probe gingen. Deshalb hat Kantor Fickel den Herren nahe gelegt, sich für einen Chor zu entscheiden. Das war damals kein Problem bei den vielen Sängern, die es in Schönau/Neustadt gab. Sie reichten für den Kirchenchor und teilweise für drei Männerchöre.
Die Chöre waren damals auch gesellschaftlicher Mittelpunkt. Man feierte und wanderte gemeinsam. Eine Tradition, die sich im Schönauer Kirchenchor bis heute gehalten hat. Nur laden wir zu unseren Wanderungen heute nicht wie damals nur den Pfarrer, sondern die ganze Kirchgemeinde ein.
Einmal, es muß 1890 gewesen sein, fuhr man am Reformationsfest mit Pferdeomnibussen nach Thum, der Geburtsstadt von Kantor Fickel. Dort sang man ein Kirchenkonzert, für das man große Anerkennung erhielt.
Für die Damen hatte man im Schützenhaus Zimmer bestellt, während die Herren bis zur Abfahrt am nächsten Morgen Skat spielten. (So lange spielen wir heute nicht mehr.) In der Nacht hatte es geregnet und gefroren, so daß einige Sänger mit "Pferdeverstand" dem Kutscher beistehen mußten. Da war man sicher froh, als man wieder in Schönau war.
Es war die Amtszeit von Pfarrer Brückner (1888-1904). Wenn man den Berichten Glauben schenken kann, war er in Schönau sehr beliebt. Ihm verdanken wir auch die erste Chronik unserer Kirchengemeinde.
Ihm folgte von 1905-1934 Pfarrer Lehmann. Er hatte die ganze Last der Veränderungen zu tragen, die durch den gesellschaftlichen Umbruch 1918 auf die Kirche zukam. Schönau lag an der Spitze der Kirchenaustritte der Ephorie. 1924 wählten 58% der Schönauer Rot, mehrheitlich die KPD.
Bei einer Kirchenvisitation 1925 klagte Pfarrer Lehmann mit dem Propheten Jesaja : "Ich dachte, ich arbeite vergeblich und brächte meine Kraft umsonst und unnütz zu." Gleichzeitig berichtet er von Sekten, die "sein Ackerfeld zerwühlen":
Ich bin in der "roten" Schönauer Siedlung aufgewachsen und kannte viele der Ausgetretenen persönlich. Ich weiß, daß sie nicht den Glauben an Gott verloren hatten, sondern daß das, was die Kirche sagte, an den persönlichen Problemen dieser Leute vorbei ging und sie deshalb Gott woanders suchten.
Es war die Zeit der Inflation. Aus einem Protokollbuch des Männergesangvereins wissen wir, daß das Gehalt des Liedermeisters Max Wendler monatlich neu festgelegt wurde, bis man sich im August 1923 nicht mehr darüber einigen konnte, ob es nun 1 oder 1,2 Mio Mark sein sollten.
Noch schlimmer - und für uns heute nacherlebbarer - war die durch die Weltwirtschaftskrise von 1929-1932 ausgelöste Massenarbeitslosigkeit. Dabei waren die sozialen Sicherungssysteme nicht mit den heutigen zu vergleichen.
1934 ging Pfarrer Lehmann in Rente. Bei der Suche nach einem Nachfolger erinnerte man sich an einen jungen Mann, der von 1926-29 Vikar in Reichenbrand war. Das war der Richtige. Der würde bestimmt die Ausgetretenen wieder in die Kirche holen. Und vor allem würde er die Jugend ansprechen. Wo war er zur Zeit? In Possendorf bei Freital! Da mußten Vertreter des Kirchenvorstandes hin.
Seine Zeit war für Schönau eine gute Zeit. Es war aber auch die Zeit des Nationalsozialismus, der versuchte, aus den Evangelischen Landeskirchen eine Deutsche Reichskirche zu machen. Alles, was jüdisch war, sollte aus der Bibel raus.
Die das voran trieben, nannten sich Deutsche Christen (DC). Um dem Dresdner Superintendenten Otto Hahn sammelten sich die ersten Widerständler. Spätestens seit einer Veranstaltung der DC am 13.11.1933 im Berliner Sportpalast, bei der der Hauptredner Studienrat Krause verkündete: "Das Alte Testament mit seinen Viehändler- und Zuhältergeschichten ist undeutsch und muß weg", organisierten sich verantwortungsbewußte Christen im sogenannten Pfarrernotbund, der sich später Bekennende Kirche (BK) nannte.
In ihm arbeitete von Anfang an ein Schönauer mit: Der Religionslehrer am humanistischen Gymnasium Professor Steyer. In unserer nächsten Spielszene trifft er sich im Herbst 1942 mit Pfarrer Knorr.
Für die Jüngeren unter uns muß ich noch erklären: Der Jagdflieger Oberst Werner Mölders war das Idol zehntausender deutscher Jungen. Sie alle träumten davon, so ein berühmter Flieger wie er zu werden.
PFARRER KNORR UND PROFESSOR STEYER
Ort : im Schönauer Pfarrhaus
Zeit: 1942
Personen: Pfarrer Knorr - Hendrik Rottluff
Professor Steyer - Eberhard Kehrer
( Professor Steyer tritt auf und läuft wartend auf und ab. Pfarrer Knorr kommt durch den Mittelgang und begrüßt namentlich verschiedeneAnwesende mit Handschlag.)
Pfarrer: Guten Tag Frau ..., ab morgen können Sie wieder zur Bibelstunde kommen. Man hat mich wieder raus gelassen. ....
Guten Tag Fräulein... am Dienstag halte ich wieder Junge Gemeinde. Habt ihr in meiner Abwesenheit nichts ausfallen lassen? Nein - das ist prima, ich wußte, daß auf die Jugend Verlaß ist. ....
Guten Tag Frau ??? Kennen wir uns nicht? (Frau nennt ihren Namen) Richtig, Frau !!! Ich habe sie noch nicht in unserer Kirche gesehen. Sie sollten unbedingt am Sonntag um 9.00 Uhr den Gottesdienst besuchen. Und bringen sie ihren Mann mit, ich habe mir vorgenommen über ein Thema zu sprechen, das ihn bestimmt interessieren wird...
(Inzwischen hat er den Altarraum erreicht und erkennt Professor Steyer)
Grüß Gott, Herr Professor! Haben Sie schon lange auf mich gewartet?
Professor: Nein, ich habe Sie bewundert, mit welchem Elan Sie aus dem Gefängnis kommen.
Pfarrer: Ich habe in dieser Zeit viel für meine Gemeinde gebetet. Das hat mir auch selbst geholfen. Wie war der Gottesdienstbesuch? Wer hat mich vertreten?
Professor: Wann immer es ging, habe ich den Gottesdienst gehalten. So leid es mir tut, aber der Besuch war kaum geringer als bei Ihnen. Vielleicht wollten die Schönauer damit auch ihre Solidarität mit Ihnen bekunden.
Pfarrer: Das freut mich. Aber was stehen wir hier herum. Gehen wir in meine Wohnung.
( Beide steigen auf das Podest und setzen sich an den Tisch. Auf diesem stehen einige Schüsseln.)
Professor: Es riecht hier so eigenartig?
Pfarrer: Das ist hier von meinem Kefir, der hat zu lange gestanden. Es konnte doch keiner ahnen, daß ich so lange eingesperrt bleiben würde. Ich werde schnellstens wieder einen neuen ansetzen müssen.
Professor: Vielleicht sollten Sie damit noch ein paar Tage warten.
Pfarrer: Warten? Warum?
Professor: Mein Brief an das Landeskirchenamt wegen ihres Verbleibs in Schönau ist abschlägig beantwortet worden. Ja, wenn es noch die Landeskirchenausschüsse gebe - in denen hatten wir als Bekennende Kirche uns einen Einfluß gesichert. Aber jetzt haben wir mit dem Revolver- Klotsche wieder einen Präsidenten, einen sehr Deutsch-Christlichen sogar!
Pfarrer: Wie der an die Macht gekommen ist - das hörte sich an wie eine Räuberpistole.
Professor: Das war es auch. Der DC Landesbischof Koch hatte die Ausschüsse aufgelöst und seinen Adjutanten Klotsche als Präsident eingesetzt. Die Ausschußmitglieder verschafften dich jedoch mittels beherzter JG-Männer Zutritt zu ihren Arbeitsplätzen, von denen sie Klotsche mit dem Revolver wieder vertreiben wollte.
Pfarrer: Er hat aber nicht geschossen.
Professor: Nein, den Revolver konnten ihm die jungen Leute entwenden.
Pfarrer: Sie als Mitglied in der Staatspartei NSDAP sind Mitglied in der Bekennenden Kirche, die doch das staatliche Vorgehen gegen die Kirche bekämpft. Wie kommen Sie damit zurecht?
Professor: Als die Deutschen Christen versuchten, aus unserer Kirche einen Hort für ihren Wotanskult zu machen und alle jüdischen Wurzeln und vor allem das Alte Testament ausrotten wollten, da habe ich meine Verantwortung als Theologe und Religionslehrer erkannt und das gemeinsam mit anderen Pfarrern und Laien bekämpft.
Pfarrer: Und wie vereinbart sich das mit der Mitgliedschaft in der NSDAP?
Professor: PG bin ich seit den 20er Jahren. Ich dachte wie viele andere, daß der Nationalsozialismus für Deutschland etwas gutes wäre.
Pfarrer: Und der Hitler sei einer von Gottes Wunderleuten wie Cyrus, Augustus oder Alexander, um mit Luther zu sprechen.
Professor: So ungefähr, vielleicht. Aber es war für politisch engagierte evangelische Christen auch schwer: Die Kommunisten und auch die Sozialdemokraten hatten den Atheismus als Parteiprogramm. Das Zentrum war katholisch. Und die sogenannen bürgerlichen Parteien haben uns mit ihrem Gezänk die Demokratie gründlich verleidet.
Pfarrer: Und aus heutiger Sicht?
Professor: Da mache ich mir schon Gedanken, wie man in den kommenden Jahren über uns Nationalsozialisten denken wird. Ein Trost ist mir nur, daß ich glaube, als Religionslehrer Generationen von Schülern gut erzogen zu haben. Einer von ihnen, der Dresdner Pfarrer Fischer ist sogar heute mein Mitstreiter im Landesbruderrat der BK. Aber um das zu erzählen, bin ich nicht gekommen. Ich wollte nur wissen - was hat man Ihnen denn genau vorgeworfen?
Pfarrer: Offiziell sagte man, ich hätte Schriften in der Bibelstunde und in der JG verlesen, die angeblich Unwahrheiten beinhalten. Besonders bezog man sich dabei auf den Mölders- Brief.
Professor: Der Mölders war nicht nur als Jagdflieger, sondern auch als katholischer Christ ein mutiger Mann.
Pfarrer: Und deshalb glaube ich fest daran, daß er sich auf dem Dienstweg bei Göring über das Vorgehen gegen seinen Bischof Ernst von Galen beschwert hat. Solche Vorbilder braucht die Jugend heute, damit sie nicht all die schlimmen Dinge, die befohlen werden, mitmacht.
Professor: Der Mölders ist tot. Er ist abgestürzt.
Pfarrer: Abgestürzt? Daß ich nicht lache! Angeblich bei einem Dienstflug gegen einen Fabrikschornstein geprallt. Der Mölders wurde umgebracht, weil er unbequem wurde.
Professor: Über seinen Tod wird viel diskutiert. Ob die Wahrheit je herauskommen wird, ist fraglich. Aber die Repressalien gegen seinen Bischof, den Löwen von Münster, der sich in einer öffentlichen Predigt gegen die Euthanasie gewandt hat, wurden eingestellt. Insofern hat sich sein Mut doch gelohnt.
Pfarrer: Professor, wir müssen auch kämpfen. Wir müssen allen sagen, welches Unrecht in Deutschland geschieht. Es kann so nicht weiter gehen. Es muß sich doch etwas ändern lassen.
Professor: Beziehen Sie sich damit auf den Ausspruch in der JG, daß nach dem Dritten Reich ein Viertes kommen wird? Wenn den jemand an die falsche Stelle bringt, dann sehen wir beide uns vielleicht nie wieder.
Pfarrer: Wieso, ich habe das doch rein logisch gemeint, das hat mit Politik nichts zu tun.
Professor: Sie müssen doch wissen, daß Diktaturen sich stets für die Vollendung der Gesellschaft halten, nach der es keine grundsätzliche Änderung mehr gibt... (nach kurzem nachdenken) Haben Sie sich denn schon einmal überlegt, was sie machen werden, wenn Sie aus Schönau fort müssen?
Pfarrer: Muß ich das denn wirklich?
Professor: Wenn Sie nicht freiwillig gehen, dann schickt man sie an die Front oder in die Rüstungsindustrie.
Pfarrer: Vor beidem habe ich keine Angst. Aber während meiner Haft ist mir klar geworden, daß ich gern Pfarrer bleiben möchte.
Professor: Die Gemeinde in Zwenkau sucht einen Pfarrer und hat auch keine Bedenken gegen einen Zwangsversetzten. Sie werden uns zwar sehr fehlen, aber das was Sie hier aufgebaut haben, wird mit Gottes Hilfe hoffentlich noch lange nachwirken.
Pfarrer: Zwenkau - das ist doch fast in meiner alten Heimat. Wenn es mir gelungen ist, die Industriearbeiter von Schönau wieder in die Kirche zu bringen, dann werde ich hoffentlich auch den richtigen Draht zu den Bergarbeitern in Zwenkau finden.
Professor: Ich weiß, daß Sie die Gebete vieler Schönauer begleiten werden.
(Der Posaunenchor spielt den Choral "O Gott, du frommer Gott")
Pfarrer: (nachdem der Chor geendet hat) Und wenn in meinem Amt ich reden soll und muß, so gib den Worten Kraft.... aber: Ohne anzuecken geht es manchmal nicht! (überlegt) Was wird nur aus dem von mir aufgebauten Posaunenchor werden?
Professor: Sie haben es doch gerade gehört. Der Bruder Hälsig hat sich in ihrer Abwesenheit sehr um den Chor bemüht.
Pfarrer: Posaunen - Herr Hälsig, Gottesdienst - halten Sie. Anscheinend werde ich hier nicht mehr gebraucht.
Professor: Nein, Gott braucht Sie bestimmt wo anders dringender.
Pfarrer: Ich möchte gern, daß wir gemeinsam beten, damit er auch weiterhin uns die richtigen Entscheidungen treffen läßt. (Beide beten still.)
Historie von 1942-1950
Pfarrer Knorr ging nach Zwenkau und hat dort wieder eine blühende Gemeindearbeit aufgebaut. Wie in Schönau kümmerte er sich besonders um die Junge Gemeinde und um den Posaunenchor. Viele Jahre war er ephoraler Posaunenpfarrer.
Sein Meisterstück lieferte er aber am 17.4.1945 ab. Die anrückenden Amerikaner forderten die Kapitulation von Zwenkau. Als dem nicht statt gegeben wurde, begann man Zwenkau in Brand zu schießen. Da gingen der Chefarzt des Krankenhauses und Pfarrer Knorr gemeinsam mit einer weißen Fahne zum Kommandanten der Amerikaner und erreichten, daß die Beschießung eingestellt wurde. Ein mutiger Mann, so wie wir ihn schon aus Schönau kannten.
Und Professor Steyer? Er unterstützte den neuen Schönauer Pfarrer Hilbert, wo er nur konnte. Denn es war eine schwere Zeit. Fast jeden Tag kam der "Blockwart" in irgendein Schönauer Haus, um die Nachricht vom "Heldentod" eines Angehörigen zu bringen.
Pfarrer Hilbert hatte in seinen tiefgründigen Predigten zwar nicht die Ausstrahlung eines Pfarrer Knorr, aber er konnte zuhören und trösten. So hatte Gott doch wieder den Richtigen zum richtigen Zeitpunkt nach Schönau geschickt.
Professor Steyer wurde der erste Religionslehrer als dieser Unterricht nach dem Krieg wieder erlaubt wurde. Er hat in mir die Liebe zur Geschichte des Volkes Israel geweckt, die sich bis heute erhalten hat.
1948 ging er ins Altersheim bei Meißen. Dort war sein Sohn Gottfried inzwischen Pfarrer geworden. Aber er setzte sich nicht aufs Altenteil. Oft und gern hat er von seinem Predigtauftrag Gebrauch gemacht.
Pfarrer Knorr und Professor Steyer waren zwei Schönauer, auf die wir mit Recht besonders stolz sein können.
Wir freuen uns, daß Frau Ruth Knorr und Pfarrer Gottfried Steyer heute unter uns sind. Die Theologen kennen ihn besser als den Griechisch-Steyer.
1947 ließ sich Pfarrer Hilbert in eine Landgemeinde versetzen. Hatte ihn der Dienst in Schönau ausgeschlaucht? Oder brauchte Gott den studierten Landwirt auf dem Dorf?
Es war die Zeit, in der 12,5 Mio Deutsche eine neue Heimat finden mußten. Zum Teil sind sie vor der heran rückenden Front geflüchtet, zum großen Teil wurden sie aber aus ihrer Heimat vertrieben, die ihre Vorfahren vor Jahrhunderten urbar gemacht hatten. Auch Schönau bekam einen ansehnlichen Teil von ihnen ab. Jede Bodenkammer und zum Wohnen eigentlich ungeeignete Räume waren mit Menschen vollgestopft. Zu dieser Zeit hatte Schönau bestimmt die meisten Einwohner in seiner Geschichte.
Die beiden großen Kirchen haben in diesen schweren Jahren viel für die Integration dieser Bevölkerungsgruppe getan. Einen Dienst, den die neuen Machthaber später nicht gedankt haben.
Für uns war es damals uninteressant, wo unsere Freunde wohnten, ob in den "Baracken oder im "Villenviertel". Hauptsache, sie kannten interessante Spiele. Denn die mußten wir uns noch selbst ausdenken. Wir trafen uns nach dem Kindergottesdienst oder nach der "Reli".
Als die Schönauer wieder einen Pfarrer suchten, ging man den erprobten Weg: Wo gibt es einen guten Vikar? In Reichenbrand wurde man fündig. Da gab es einen, der predigte mitreißend. Seine Gottesdienste waren rammelvoll. Vor allem fand er den richtigen Draht zur Jugend. Außerdem war er ein Liebhaber der musica sacra, was den Kantor ganz besonders freute.
Lassen wir uns in das Jahr 1950 versetzen.
WOCHENSCHLUSSANDACHT IN DER JUNGEN GEMEINDE
Ort: vor dem Schönauer Pfarrhaus.
Zeit: 1950
Personen: 1. Mädchen - Luise Stockmann
2. Mädchen - Elke Hertschel
3. Mädchen - Jaqulin Zinn
1. Junge - Maximilian Petzold
2. Junge - Benjamin Schaarschmidt
(Jungen und Mädchen kommen von verschiedenen Seiten auf den Altarplatz und begrüßen sich.)
1. Junge: Na, habt ihr alle Eure Räder flott, morgen geht es zum Posaunenfest nach Sachsenburg.
1. Mädchen: Ist das weit?
1. Junge: Katzensprung, das liegt in der Nähe von Frankenberg.
2. Mädchen: Da müssen wir doch durch die Stadt. Überall diese Straßenbahnschienen und kilometerweit über Kopfsteinpflaster. Ob ich das meinem Rad antun soll?
3. Mädchen: Ausrede abgelehnt! Wir fahren über die Autobahn. Die geht auch direkt an Sachsenburg vorbei.
1. Junge: Zieht euch feste Schuhe an. Am Nachmittag machen wir ein Geländespiel. Dort ist eine tolle Gegend. Herrliche Felsen zum klettern und verstecken.
1. Mädchen: Du hast gut reden. Ich habe nur diese Sandalen und wenn die kaputt sind, muß ich am Montag barfuß auf Arbeit gehen.
1. Junge: Und deine Mutter?
1. Mädchen: Die wird mir was erzählen. Wenn es kalt wird, muß ich mir schon ihre Jacke borgen.
2. Junge: (kommt mit einem uralten klappernden Fahrrad durch den Mittelgang gefahren)
Oh, ihr seid noch hier! Und ich dachte schon, ich käme zu spät zur Wochenschlußandacht.
3. Mädchen: (betrachtet das Rad) Ein tolles Gerät, wo hast du denn das gefunden?
2. Junge: Mein Großvater hatte es auf dem Boden versteckt, damit es ihm 1945 nicht abhanden kommen konnte.
3. Mädchen: Aber die Bereifung ist neu.
2.Junge: Vollgummi - die hat mein Vater im Betrieb als Prämie bekommen.
2. Mädchen: Habt ihr schon Pläne für nächste Woche? Wenn wir bei uns ein Gartenfest feiern wollen - meine Eltern hätten nichts dagegen. Kartoffeln für den Salat haben wir, nur eine Wurstmarke müßte jeder mitbringen.
2.Junge: Ich bringe mein Radio mit. Mit dem kann man ganz prima AFN empfangen.
1. Mädchen: Dann brauchen wir auf alle Fälle noch ein Koffergrammophon, denn den ganzen Abend geht mir die Amimusik auf die Nerven.
2. Mädchen: Wenn wir uns nicht beeilen, kommen wir zu spät.
(Alle gehen durch die Sakristei ab. Der Chor singt aus der Wochenschlußandacht den 50. Psalm " Wer im Schutz des Allerhöchsten lebt" -> Anlage 7)
(Jungen und Mädchen treten wieder auf:)
1. Junge: Eine prima Sache hat der Pastor Meier bei uns eingeführt.
1. Mädchen: Ich habe gar nicht gewußt, daß du ein Freund des Psalmodierens bist.
1.Junge: Habe ich das gesagt?
2. Mädchen: Und warum kommst du dann?
1. Junge: (zu den Mädchen) Damit ich euch sehe!
2. Junge: Schön wäre es, wenn wir gemeinsam Junge Gemeinde halten könnten
3. Mädchen: Wo willst du denn da mit den vielen Leuten hin? Vier Kreise und jedesmal ist der Pfarrsaal voll. Das geht nicht.
1. Junge: (blickt zu den Mädchen) Schön wärs doch, aber leider...
3. Mädchen: Na dann, machts gut bis morgen früh!
1. Mädchen: Wann und wo treffen wir uns?
3. Mädchen: Um sechs an der Kirche?
2. Junge: Für uns Neustädter zu umständlich: Sagen wir an der Autobahnbrücke über dem Harthweg.
2. Mädchen: Und vergiß das Werkzeug nicht!
2. Junge: (während er durch den Mittelgang abfährt) Bei einer JG- Radpartie ohne Werkzeugkoffer kämen wir alle mit der Bahn nach Hause.
Die Amtszeit von Pfarrer Müller
So war dies vor nun mehr 47 Jahren. Konfirmation um 8 und 10 Uhr, damit alle 120 Konfirmanden mit ihren Angehörigen in der Kirche Platz fanden. Also Volkskirche pur.
Das Pastor Meyer nicht lange in Schönau bleiben würde, war von Anfang an klar, denn er wollte als Missionar nach Indien. Und dazu mußte er nach Westdeutschland, um Tamilisch zu lernen. Aber die Saat, die er gelegt hat, ist gut aufgegangen. Auch weil sie von den Jugendwarten Johannes Winkler und Kurt Ströher gut gepflegt wurde.
Sehr viele Schönauer haben, nachdem sie erst ehrenamtlich in der in der Gemeinde gearbeitet haben, sich für den kirchlichen Dienst entschieden. Und das zu DDR-Zeiten, als das aufgrund der Bezahlung zuerst eine Berufung und erst in zweiter Linie ein Beruf war.
Beim nächsten Pfarrer wurde die "Schönauer Praxis" durchbrochen. Er kam sozusagen als gestandener Mann nach Schönau in seine 3. Pfarrstelle. Ihm blies bald ein scharfer Wind ins Gesicht. Nach dem Motto "Wer die Jugend hat, hat die Zukunft" wurde die Junge Gemeinde als "Tarnorganisation für Kriegshetze, Sabotage und Spionage im USA-Auftrag" - so in einer Sonderausgabe der "Jungen Welt" im April 1953- diffamiert. Jugendarbeit sollte nur noch von ausgebildeten kirchlichen Mitarbeitern durchgeführt werden. Daß es der Kirche daran fehlte, wußte natürlich der Staat. Mit großer Energie wurden Leute, die sich dazu berufen fühlten, zum Diakon ausgebildet.
Einer von ihnen war Heinz Helbig. Was er und seine Frau Inge in all den Jahren geleistet haben, wissen die wenigsten. Auch, weil er nie großes Aufheben um seine Arbeit machte. Viele Schönauer haben mir berichtet, daß sie heute gern an die Christenlehre und die Junge Gemeinde mit ihm zurück denken.
Auch wenn der Staat nach dem 17. Juni 1953 wieder etwas einlenkte. Sein Ziel, die Volkskirche zu zerschlagen, hat er nie aus den Augen verloren. Manchmal hat die Kirche auch einen Fehdehandschuh aufgenommen, den sie besser hätte liegen lassen sollen.
Aus den Aufzeichnungen von Pfarrer Müller wissen wir, daß er unter diesem Streit sehr gelitten hat. Irgendwann 1957 steht dort, fast als Abschiedsbrief verfaßt, eine Zusammenfassung all der Dinge, die er für seine Gemeinde getan hat. Es ist anzunehmen, daß er mit seiner Versetzung oder mit schlimmerem gerechnet hat. Doch dann mit anderer Tinte der spätere Nachsatz: "Gottlob! Es hat sich alles zum Guten gewendet!"
Er hat einiges für Schönau getan:
1955 wurde der Pfarrsaal erweitert und neu gestaltet,
1957 Ersatz für die im 2. Weltkrieg abgenommenen Glocken beschafft,
1962 anläßlich der 75Jahrfeier wurde der Innenraum dieser Kirche farblich neu gestaltet.
Und durch seine Sparsamkeit hat er verhindert, daß unsere Orgel zu einer "Barockorgel" umgestaltet wurde. So ist sie uns als ein Denkmal der Handwerkskunst und des Klangempfindens des vorigen Jahrhunderts erhalten geblieben. 1978 wurde sie von der Firma Wünning gesäubert und einfühlsam repariert.
Damit sie merken, wie gut sie vor 110 Jahren auf den Kirchenraum abgestimmt wurde und wie gut sie sich vor allem für die Wiedergabe romantischer Werke eignet, spielt uns Kantor Kühne das "Präludium in d-moll" von Felix Mendelssohn Bartholdy.
(Orgelspiel)
Kirchenmusik von Kantor Wendler bis zur Gegenwart
Die Romantik war so gar nicht nach dem Geschmack von Kantor Wendler. Die Musik konnte gar nicht alt genug sein. Was haben wir Bach, Schütz und Praetorius und Johann Walter gesungen. Ein Mitglied des Schönauer Männergesangvereins erzählte mir, daß es auch für sie gewöhnungsbedürftig war, als er mit ihnen Landsknechtlieder übte. Aber er musizierte mit uns nicht nur die musica sacra, sondern auch weltliche Chormusik, wenn sie nur alt genug war. Ein schönes Beispiel dafür ist das folgende Lied aus dem 16. Jahrhundert. Der Chor singt uns "Amor im Nachen" von Giovanni Gastoldi. (-> Anlage 8 )
Kantor Wendler hat einmal gesagt: "Der Kinderchor ist die Quelle, aus der der Erwachsenenchor seinen Atem schöpft." Um diese Quelle zu verstopfen, versetzte man ihn 1952, also mit 62 Jahren, von der Schönauer an die Kappeler Schule. Aber die Rechnung ging nicht auf. Er ging weiter den Schönauer Kindern und auch den Jugendlichen "seines Chores" nach.
Als er 1962 starb, spielten Laien im sonntäglichen Gottesdienst die Orgel. Einer von ihnen war Walter Markert. Er leitete auch den Kinderchor und setzte dabei die Werbearbeit von Kantor Wendler fort. Dabei war kein Kind, egal ob es aus einem christlichen oder weltlich gesinnten Elternhaus stammte, vor ihm sicher.
Die größte Würdigung seiner Arbeit erhielt er an seinem 90. Geburtstag im August dieses Jahres durch sehr viele Glückwünsche und Besuche. Die größte Überraschung war ein Chor, der sich aus ehemaligen Kurrendekindern gebildet hatte. Dieser sang zwischen Versen, die Episoden aus dem Kurrendeleben schilderten, all die Lieder, die er mit ihnen geübt hatte.
Die künstlerische Leitung des Chores hatten in den 25 Jahren Kantoren aus den Nachbargemeinden.
Stellvertretend möchte ich zwei nennen: Den unvergeßlichen KMD Christoph Kircheis und Frau Renate Golde. Mit ihr kam die Romantik wieder nach Schönau zurück. Mit viel Einfühlungsvermögen hat sie in uns die Freude an dieser schönen Musik wieder geweckt. Gern erinnern wir uns, wie sie vor 10 Jahren die Veranstaltung zum 100jährigen Kirchenjubiläum mit vorbereitet hat.
Seit 1990 hat Schönau wieder einen hauptamtlichen Kantor, genauer gesagt einen Kantor-Katecheten. Wir hoffen, daß er die 160 Jahre alte Tradition des Chorgeanges in Schönau fortsetzen kann. Das wird nur gelingen, wenn er die Werbearbeit eines Kantor Wendler und Walter Markert fortsetzt und die Kids überzeugt, daß es außer Gameboy, Computer und Glotze noch andere schöne Dinge, wie z.B. die Musik gibt. Und daß man diese nicht nur konsumieren, sondern auch selbst machen kann.
Die Amtszeit von Pfarrer Hanke und Danksagung
Der vorläufig letzte Schönauer Pfarrer war Pfarrer Hanke. Er wurde wieder nach dem Prinzip: "Wo finden wir einen geeigneten Vikar?" ausgewählt.
In Rabenstein konnten wir uns von seinen guten Predigten überzeugen. Das blieb auch in Schönau so. Er hielt auch deshalb die Gemeinde zusammen, weil man sich gern zum Gottesdienst traf. Was er sonntags gesagt hatte, daran konnte man sich noch lange erinnern. Man konnte auch mit anderen darüber diskutieren, denn die hatten es sich auch gemerkt.
Weitgehend unbemerkt blieben seine vielen Alten- und Krankenbesuche.
Er hat sich sehr für die Erhaltung dieser Kirche eingesetzt. Manches schöne Detail wäre ohne ihn verschwunden. Wenn wir Geld, Material und Bilanzen gehabt hätten, wäre diese Kirche so er-halten geblieben, wie sie vor 110 Jahren gebaut wurde. Heute weiß ich, daß er damit Recht hatte.
Daß die Laatzener heute unter uns sind, ist auch seiner Initiative zu verdanken, denn er hat 1980 diese Patenschaft, aus der später eine Partnerschaft wurde, neu belebt.
Nächste Woche wird Vikar Kretschmer zum neuen Schönauer Pfarrer ordiniert und wir freuen uns, daß die lange Vakanz endlich beendet ist.
Danken möchten wir Pfarrer Viertel, der seine Vertretung nicht als ein notwendiges Übel betrachtet hat, daß man so schlecht und recht über die Bühne bringen muß. Nein, er hat sich wirklich intensiv um Schönau gekümmert.
Das Ganze hätte jedoch nicht funktioniert, wenn nicht viele - ohne daß sie lange gebeten werden mußten - Aufgaben übernahmen, die teilweise in einen Fulltimejob ausuferten. Nein, ich nenne keine Namen, denn die Annerose Schilling hat mich gewarnt: "Du vergißt ganz bestimmt ganz wichtige Leute." Ihnen allen, den hauptamtlichen wie auch den nebenamtlichen Mitarbeitern möchte ich an dieser Stelle den Dank der Kirchgemeinde aussprechen.
Bedanken möchte ich mich auch bei denen, die geholfen haben, diesen Abend zu gestalten:
- bei den Spielern aus dem Chor, dem Jugendchor und der Jungen Gemeinde,
- beim Chor und dem Posaunenchor, der sich jetzt Bläserkreis nennt,
- bei Kantor Kühne, der die Musik einstudiert und teilweise mit ausgesucht hat,
- bei den vielen Zeitzeugen, die meine "dummen" Fragen geduldig beantwortet haben, auch wenn ihre interessanten Informationen der Fülle des Materials zum Opfer fielen.
- beim Elefantenkreis, der die Schautafeln zur Gemeindegeschichte gestaltet hat. Sie können jetzt am besten einschätzen, welche Arbeit vor 10 Jahren Pfarrer Hanke damit hatte.
- bei den Mitgliedern des Chemnitzer Geschichtsvereins,
und last not least bei Ihnen, daß Sie es über zwei Stunden mit uns ausgehalten haben.
Wir wollen diesen Gemeindeabend beschließen mit einem Lied, daß die Schönauer in dieser Kirche schon vor 110 Jahren gesungen haben: "Nun danket alle Gott".
Nachwort
Der Gemeindeabend ist nun schon ein Vierteljahr vorbei, aber erst jetzt bin ich in der Lage , die abschließenden Worte zu formulieren. Ein Ereignis hat uns alle wie der Blitz getroffen.
Der neunte Schönauer Pfarrer, Lars Kretschmer, kam am Dienstag, dem 4.11.1997 nach nur sechswöchiger Amtszeit bei einem Verkehrsunfall ums Leben.
Viele haben ihn noch in Erinnerung, wie er als "Siedler" mit der Jungen Gemeinde nach Schönau gezogen kam und als "Schönauer" die Chemnitzer im "Bierkrieg" mit verfolgte.
Pastor Wock von der Partnergemeinde war an diesem Wochenende sein Gast. Dabei haben die beiden vielleicht schon Pläne für das nächste Gemeindetreffen in Laatzen oder für ein anderes gemeinsames Projekt geschmiedet.
Eine Woche nach dem Kirchweihwochenende wurde Lars Kretschmer in einem feierlichen Gottesdienst zum Pfarrer ordiniert.
Wir hatten das Gefühl, daß er sich in Schönau wohlfühlte. Er hatte sich hier eingegraben und wollte Wurzeln schlagen.
In einem Trauergottesdienst haben die Schönauer und seine vielen Freunde von ihm Abschied genommen. Dabei war die Kirche so voll, wie sie es sonst nur bei den Christmetten ist. Da merkten wir, wie sehr er schon in die Herzen der Schönauer hineien gewachsen war und sich hineien gepredigt hatte.
Pfarrer Kretschmer ist in den entkirchlichten Osten gegangen, weil er hier "Neuland" für den Glauben an Gott, vor allem unter der Jugend bearbeiten wollte.
Mit dem Verstand kann man keine Erklärung für seinen Tod finden.
Als ich Pfarrer Gottfried Steyer telefonisch das Unfaßbare mtteilte, sagte er mir: "Wir müssen erkennen, daß Gott der Herr ist."
Zuerst kam mir das etwas altmodisch vor.
Das Wort Herr ist in unserem Sprachgebrauch durch die Anredeform etwas abgegriffen, oder man stellt sich unter Herr jemanden vor, der machen kann, was er will, ohne sich um andere zu kümmern. Jahrhundertelang war das aber nicht so.
Da wurde man ein Herr, weil man durch die Ausbildung ein Überblickswissen erhalten hatte und die Fähigkeit zur Führung eines Kollektivs besaß. Ob es sich dabei um ein Land oder einen Betrieb handelte, unterschied sich nur in der Art und Größe der Verantwortung.
Einen guten Herrn konnten die Untertanen bitten, daß er bei seinen Entscheidungen ihre Belange mit bedenken sollte.
Wenn wir aber anerkennen, daß wir einen Herren haben, der sich in der von ihm geschaffenen Welt besser auskennt als wir, dann bleibt uns nur die Aufgabe ihn zu bitten, daß er die Sache seiner Schönauer Gemeinde selbst so weiter führt, wie er es in den letzten 110 Jahren getan hat und uns Augen und Herz öffnet, damit wir erkennen, wo er uns dabei braucht.
Schließen möchte ich mit einem Liedvers:
Komm Herr, segne uns, daß wir uns nicht trennen,
sondern überall uns zu dir bekenne.
Nie sind wir allein, stets sind wir die deinen,
Lachen oder Weinen wird gesegnet sein.
Im Advent 1997 Manfred Markert
Zum Kinderfest hat Lars Kretschmer bestimmt viele Kontakte zur Schönauer Jugend geknüpft.
Der KV-Vorsitzende von Laatzen, Herr Färber überreicht Lars Kretschmer ein Bild der "Alten Laatzener Kirche"
Brückner E. G.: Die Parochie Schönau - Neustadt. in: Neue sächsische Kirchengalerie. Verlag Alfred Strauck, Leipzig März 1903
Denkschrift anläßlich der Generalvisitation der Ephorie Chemnitz-Land. Druck C. W. Braun, März 1929
Fischer, G.H.: Geschichtsbuch von Schönau. Selbstverlag, Schönau 1884
Festschrift 50 Jahre Kirche Schönau-Neustadt. Schönau 1937.
Friedrichs H.J.: Illustrierte Deutsche Geschichte. Naumann und Göbel Verlagsgesellschaft, Köln 1931
Große Geschichte des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieges. Naturalis Verlag
Haase F.: Der Kreis Chemnitz Land - 400 Jahre evangelisch. Verlag Max Müller, Chemnitz 1939
Hahn, C.H.: Kämpfer wider willen. Erinnerungen aus dem Kirchenkampf 1933-45. (Herausg. Georg Prater), Metzingen 1969
Heussi K.: Kirchengeschichte. Verlag J.C. B. Mohr, Tübingen 1960
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Klemm H.: Im Dienst der bekennenden Kirche. Karl Fischer 1886- 1941. Verlag Vandenhoeck und Rupprecht, Göttingen 1986
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Pilz Christine: Festschrift 80 Jahre Schönauer Schule. Chemnitz Sept. 1994
Rottluff Kirsten: Wirken des Pfarrer Knorr in Schönau. Chemnitz Oktober 1996
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