Es war am 1.9.39 früh 2 Uhr, kam Döring Amand und rief, Stelzer, es ist Mobilmachung. Ihr sollt heute früh euer Pferd "Aula" nach Löwenberg bringen.
Es war an einem Sonnabend. Wir wollten alles sauber machen, da sagte meine Schwiegermutter Lucia Stelzer, laßt den Dreck liegen, ihr wißt gar nicht, was Krieg heißt. Sie hatte recht, denn wir haben das selber zu spüren bekommen.
Tante Pauline, vom Schwiegervater die Schwester, war über Nacht bei uns geblieben, hatte uns bei Feldarbeiten geholfen. Sie sagte, da muß ich nach Hause nach Röhrsdorf. Mein Sohn und Schwiegersohn müssen ja dann auch fort. Sie hat sie auch nicht mehr angetroffen.
Mein Schwager Franz aus Harpersdorf mußte auch gleich den ersten Tag mit raus in den Polenfeldzug.
Ein Lehrer aus Ullersdorf war Feldwebel bei ihm. Eines Tages frug er, Stelzer wo haben sie gedient? Gar nicht, sagte Franz. Drum, sie können ja noch gar nicht mal grüßen wie sich das gehört. Als sein Sohn Georg geboren wurde, bekam er einige Tage Urlaub. Seine Schwester Gertrud mußte runter den Haushalt und die Wirtschaft machen, denn Tante Anna lag in Zobten im Krankenhaus. Sie hatte wohl Lungenentzündung. Nach Georgs Taufe haben wir sie noch besucht. Josef mußte das Pferd von Franz mit zu uns nehmen. Wir haben es in einen Schlitten gespannt, von Gertrud die Kinder Horst und Gerda, die nicht mehr in Harpersdorf bleiben wollten, in Decken gepackt und sind über Zobten nach Hause gefahren.
Franz wurde später an einem Arm verwundet. Er lag in Goldberg im Lazarett. Josef und ich haben ihn auch dort besucht. Er wurde von dort entlassen und konnte zu Hause seine Wirtschaft weiter führen.
Im Januar 1942 wurde Josef einberufen. Er kam gleich nach Frankreich. Nach 11 Monaten kam Josef das erste mal auf Urlaub. Er sah gut aus. Kordula sagte, ist denn das der Papa, der fortgemacht ist? Doch die paar Urlaubstage waren schnell um.
Doch wie er nach dem Urlaub in Frankreich an kam, wurde er gleich nach Rußland versetzt.
Doch dann bekamen wir wochenlang keine Post von ihm. Endlich kam Post von ihm aus Fulda, aus einem Lazerett. Aber kein Wort wie und warum, nichts, nur es ging ihm soweit gut. Wahrscheinlich war Post verloren gegangen. Ich habe dann angefragt, was eigentlich los war. Er hatte in Rußland eine starke Erfrierung und mußten ihm am rechten Fuß die Zehen weg operiert werden.
Auf dem Transport von Rußland nach Kassel fuhren sie durch Hirschberg. Da sagte Josef zu seinem Arzt, der den Transport führte, mir ist gar nicht schön, können sie mich hier unterwegs nicht raus lassen. Der Arzt wußte gleich Bescheid, nur er sagte, ich darf keinen rauslassen, ich muß meine volle Zahl, die ich übernommen habe, in Fulda abliefern.
Nun wollte ich ja Josef mal in Fulda besuchen, aber durch die vielen Bombenangriffe fehlte mir der Mut. Ich bin dann zum Dr. Mathäus gegangen und habe ihn gebeten, ob Josef in das Heimatlazarett Liebenthal kommen könnte. Er sagte, ich sollte hinschreiben. Für Josef wäre jederzeit ein Bett frei. Und Josef hatte dort den Antrag gestellt.
Eines Tages mußte ich mit dem Fahrrad nach Löwenberg fahren, um für unseren Polen Michel, der bei uns in Arbeit war, Tabak zu holen. Es waren nur Strünke, die sie erhielten. Wir haben ihn zwar hinten im Garten lassen Tabak anbauen, was wir eigentlich nicht durften.
Auf dem Rückweg bin ich in Schmottseifen beim Onkel Albert mal rein. Tante Anna machte gleich Kaffee. Doch ehe wir dazu kamen, klopfte Marie Hubalek, welche beim Nachbar in Stellung war, ans Fenster: Denkt mal, heute ist der Josef Stelzer ins Lazarett gekommen. Schmidtbauers Paul hat mit ihm gesprochen.
Ohne Kaffee bin ich gleich los gefahren. Bin aber erst nach Hause und dann nach Liebenthal. Da saß auch schon unser Alfons bei ihm.
Ein Sanitäter hatte Josef mit einem kleinen Handwagen vom Bahnhof bis zum Lazarett transportiert.
In der selben Zeit, wo Josef zurück kam, mußte sein Bruder Gerhard nach Frankreich. Von dort war er auch in Urlaub. Als er wieder fort war, schrieb er, wir kommen nach Rußland. Von dem Tag an haben wir kein Lebenszeichen mehr erhalten.
Na und Josef durften wir dann am Sonnabend und sonntags mit dem Wagen nach Hause holen.
Später, als er dann laufen konnte, konnte er jeden Tag nach der Visite nach Hause. Kam dann mit dem Fahrrad. Mußte aber abends zum Zapfenstreich wieder drin sein.
Nach dem sein Fuß so halbwegs zu geheilt war, und er Schuhe erhalten hatte, wurde er entlassen. Nach seiner Entlassung wurde er zum Kupferkomando nach dem Kreis Schönau an der Katzbach beordert. Von da wurde er wieder aufs neue eingezogen. Mußte sich in Striegau melden. Sie marschierten in Richtung Lauban. Sie machten in Jahnsdorf Quartier. Er durfte, da es in unserer Nähe war, mit einem Fahrrad, was ihn Bauer Töpler geliehen hatte, mal kurz nach Hause. Josef mußte früh 4 Uhr wieder fort zu seiner Truppe, sie sind den anderen Tag über Ottendorf Richtung Lauban marschiert.
Im Winter 1945 ist Josefs Bruder Franz mit der Familie mit einem großen Treckwagen angekommen. Und vier Familien aus Harpersdorf hinter ihm her und alle in unserem Hof.
Und die Familien aus Harpersdorf blieben bei uns etwa vier Wochen. Es war gar nicht so einfach. Jedes wollte kochen und wir hatten nur einen Herd. Ich habe jeden Tag einen Zentner Kartoffeln im Kessel gedämpft. Fleisch war genug da. Die Flüchtlinge hatten Fleisch mit. Hatten alles noch geschlachtet, was sie konnten, ehe sie weg mußten. Haben sogar noch welches bei uns geräuchert. Wir mußten sogar noch ein Pferd schlachten, das hatte uns eine Flüchtlingsfrau dagelassen, sie war bei uns zwei Nächte da. Es war eine Ida Weihrauch aus Rosental bei Brieg. Mit ihrer 14 jährigen Tochter hat sie sogar bei mir mit im Schlafzimmer geschlafen. Sie war eine nette Frau. Ihr Mann war auch im Krieg. Sie mußte mit ihrem Gespann weiter trecken.
Die Harpersdorfer mußten dann aber auf Befehl weiter nach dem Gebirge rauf. Franz mit seinem Gespann auch. Als sie weg mußten, sagte ich zu meinem Schwager Franz, du kannst doch hier bleiben, es ist doch dein Elternhaus. Da sagt die Martha, nein, wir fahren mit weg, da hätte sie vielleicht einen billigen Knecht.
Tante Anna aus Harpersdorf, die Schwester vom Stelzer Opa, fuhr mit ihnen bis nach Langwasser zu ihrer Schwester Agnes.
Als die Harpersdorfer nun alle oben im Gebirge waren, bekamen dort die Bauern den Befehl mit ihren Gespannen nach Krumöls zu fahren, um dort die Felder zu bestellen.
Die Frieda Klempt mußte mit ihrem Gespann auch runter. Sie sollte für die Männer kochen. Ihr Mann war beim Volkssturm. Als Kutscher hatte sie einen Franzosen. Doch wie sie in Krumöls ankamen, waren dort alle Bauern mit ihren Familien vollständig zu Hause.
Als der Gemeindevorsteher Brückner erfuhr, daß der Franz ein Sohn vom Geppersdorfer Stelzer August war, sagte er, nun sieh bloß daß du zu deinem Vater kommst. Die Frieda Klempt sagte, da fahr ich auch wieder mit dorthin. So kamen sie beide wieder zu uns.
Martha und Georg mußten oben in Antoniwald bleiben. Das war Martha ihr größter Ärger.
Wochen zuvor kamen Soldaten und trieben unser Vieh aus den Ställen, bis auf das Zugvieh.
Ich kam gerade von Ottendorf, hatte dort gefragt, ob ich ein paar Kühe hinbringen dürfte.
Da habe ich immer "Morei" gerufen. Da kamen meine Kühe wieder in den Stall. Das Jungvieh war aber mit fort.
Später haben wir wohl fünf Kühe nach Gieren zu Hildebrandts Josef gebracht. Meine Schwester Thekla mit ihrem Sohn Achim haben dort das Vieh versorgt. Achim wurde krank, da ist Thekla mit ihm nach Hause. Meine Schwägerin Gertrud ist dann hoch nach Gieren.
Doch vor dem hatten wir auch noch Kühe bei meiner Schwester in Ottendorf. Gertrud und ich waren gerade draußen, da wurde in Ottendorf auch Vieh weg getrieben, aber nur etwas.
Ich sagte zu meiner Schwester Mariechen, treib nur die kleine schwarze Kuh von uns mit und behalte die gute von dir da.
Gertrud und ich sind dann nachts um 12 mit einer Kuh wieder nach Hause gemacht, damit wir wieder etwas Milch für uns hatten.
Wir sind über die Felder, es war stockfinster, hinter Liebenthal weg, da merkten wir, daß noch mehr mit Kühen unterwegs waren. Unsere Kuh haben wir draußen in der Kirschenallee in der Hütte versteckt.
Am anderen Tag kam unser Bürgermeister Hofmann mit einem Offizier und frug, ob wir noch Kühe versteckt hätten. Ich frug ihn, soll ich die Wahrheit sagen oder? Ja meinte er, da wurden sämtliche versteckten Kühe zu Stelzer Alwine in den Stall gebracht. Sie wurden dort gemolken und die Milch durch die Zentrifuge in Sahne und Butter verarbeitet. Wir durften uns dann mal Magermilch usw. holen. Ein Soldat, ich glaube er hieß Anders aus Rabishau, er ist jetzt in der Nähe von Holzminden, der hatte es über. Das Beste hat er mit seiner Belegschaft dort abgeschöpft.
Dann war das Futter alle, da kamen sie sammeln, bis ich laut wurde. Ich sagte, gebt uns die Kühe jedem heim, da fällt für eine Kuh im Haushalt immer was ab. So mußten sie es auch machen.
Na und Franz, der fuhr jeden Sonnabend nach Antoniwald mit Futter für seine Kuh, die er von seiner Schwester Anna aus Ottendorf bekommen hatte.
Es war Anfang Mai, es wurde immer gräßlicher, es hat Tag und Nacht nur gedonnert und die Stalinorgel hat nur so geheult. Bis eines Morgens am 8. Mai, es war eine Stille um uns.
Die Soldaten waren alle weg, wir saßen dann ganz alleine da und wußten nicht was los war.
Gemeindevorsteher Hofmann ließ uns sagen, wer mit fort machen will, der kann sich ihm anschließen. Er kommt mit seinem Treckwagen morgen früh vorbei. Aufgeladen hatten wir ja den Wagen. Da kam Gertrud und sagte, sie wolle mit Gerda mit dem Fahrrad fort. Da sagte Stelzer Opa, da fahrt doch zusammen mit den Pferden los und ich komme mit dem Ochsengespann nach. Ich sagte, entweder fahren wir alle zusammen oder gar nicht.
Inzwischen kam Schmidt Anna rüber und sagte, wir brauchen gar nicht zu fahren, der Russe ist schon da. Wir sollten weiße Tücher raus hängen und uns ergeben zeigen. Wir waren nämlich das erste Dorf, was noch vollständig zu Hause war.
Dann kam auch Stelzer Franz mit seinen Leuten aus Antoniwald und wollte nach Hause. Zu Hause angekommen, haben sie ihm die Pferde und das letzte Geld abgenommen. Da kam Martha zurück und klagte ihr Leid. Da habe ich ihr einen Zugochsen, eine Kuh und 1000. - Mark in bar mitgegeben.
Neumann Paul und meine Schwägerin Gertrud haben dann unsere Kühe nach Hause geholt. Natürlich mit Angst und Bangen. Dann bin ich mit dem Stelzer Opa und dem "Fritz", dem wir ein Bein mit einer weißen Binde gebunden hatten, er lahmte so wie so schon, nach Gieren gefahren, um unser letztes Zeug zu holen. So sind wir auch wieder heil nach Hause gekommen.
Zu vor haben wir in Gieren dem Hildebrand Josef hatte von uns ein 2jähriges Pferd für 500.- oder 600.- Mark verkauft. Er wollte damit türmen, sie haben es ihn aber gleich wieder weg genommen.
Am 16. Mai kam Josef mit noch einem Kameraden nach Hause. Sie kamen aus Kühnheide im Erzgebirge, dort war ihre Kompanie aufgelöst worden. Von dort sind sie unter großen Schwierigkeiten eine Woche lang bis zu uns marschiert. Sein Kamerad ist nach einigen Tagen weiter gemacht, er wollte auch nach Hause.
Josef mußte sich noch 2-3 Wochen verstecken.
Ein paar Tage bevor Josef kam, hatten wir das ganze Haus voll Russen. Sie kamen wie ein Bienenschwarm ins Haus. Sie holten aus der Nachbarschaft die jungen Mädchen herbei und die mußten oben sämtliche Zimmer ausräumen. Alles wurde oben auf den Boden geschafft, bis auf die Betten. Wir mußten alle Mann unten in der zweiten Stube quartieren. Am dritten Tag hieß es, wir müßten alle raus, aber wohin. Es betraf uns vier Bauern: Schuster, Schmidt und die beiden Stelzer. Bei Bauer Hübner in Liebenthal wollten sie uns aufnehmen. Den Treckwagen haben wir gleich wieder aufgeladen. Aber was machen wir mit dem Vieh, das wir noch hatten?
Auf eimal kam ein Russe zu mir, er konnte etwas Deutsch und sagte, Frau wieder setzen. Er meinte wir könnten bleiben, und sie müßten weg. Sie machten alle zu Bauer Rudolf in den Wald. Dort bauten sie sich Buden, ja sogar richtige Häuser aus Holz. Bretter holten sie sich bei uns vom Heuboden. Auch bei anderen Bauern holten sie sich das Material. In Liebenthal bei Kindler holten sie sämtliche Möbel dazu raus. Die Deutschen mußten helfen. Wenn sie mal nicht gehen wollten, wurden sie mit dem Gewehr geholt.
Unterdessen war ja nun auch Josef da. Ausgerechnet saß Josef auf der Hausbank, da kamen zwei Russen um die Ecke. Da dachte ich, jetzt holen sie ihn. Da war aber einer dabei, der vorher mit bei uns im Quartier war. Er sagte zu mir, du das dein Mann? Ich gab ihm keine Antwort. Er sagte dann, ich wissen, Gertrud hat mir gesagt. Sie wollten ja nicht den Josef, sondern wollten Eier haben. Wollten sie sogar bezahlen. Doch ich habe sie ihnen geschenkt, da sie bloß Eier wollten.
Als sie fort waren, lag auf dem Sofa, wo sie gesessen hatten, eine ganz dicke Brieftasche mit viel Geld und Papieren. Da habe ich Seifert Martha zur Gertrud geschickt, da ich wußte, daß sie dort waren. Gertrud hat gefragt, ob sie was vermissen und hat auf die Hosentasche gezeigt.
Da kam der eine, der bei uns zwei Tage im Quartier war mit der Martha zurück. Vor Freude gab er mir ein Trinkgeld und uns hat er alles erklärt und gezeigt. Er war gar kein Russe. Er stammte aus Amerika. Sein Vater hat ihn die Einreisepapiere und auch den Flugschein geschickt. Und das war alles in der Brieftasche. Er wollte in 14 Tagen nach Hause fliegen. Aber wie der zu den Russen gekommen ist, blieb uns ein Rätsel.
Später hatten wir wieder einen Offizier mit einem Burschen im Haus. Bei Schuster Albert und bei Schmidtbauer hatten sie alles voll Soldaten. Da bekamen die Frauen Angst und kamen alle zu uns schlafen. Lagen wie die Heringe bei Opa und Oma im Schlafzimmer. Der Bursche konnte gut Deutsch. Wenn abends die Soldaten bei uns klopften, schickte der Bursche sie weg. So hatten wir unsere Ruhe. Er sagte, seine Mutter wäre eine Deutsche.
Schuster Albert blieb nachts mit den beiden Waisenjungen Hasse Herbert und Fromhold Georg, die sie angenommen hatten, bei sich zu Hause. Unser Horst und Alfons blieben auch mit dort.
In der zweiten oder dritten Nacht ging es furchtbar zu. Da sind sie alle Russen ausgerückt. Dabei haben sie mitgenommen was sie konnten. Unseren Spazierwagen hatten sie auch mitgenommen. Früh machte Schuster Martha gleich rüber, sie dachte, jetzt haben sie Albert mit den vier Jungen mitgenommen. Aber Gott sei Dank, sie waren da. Sie hatten sich in einem Zimmer eingeschlossen.
Ab und zu kamen auch wieder einzelne Russen zu uns. Einer wollte Speck, wir hatten selber keinen. Aus Rache haben sie uns unser Pferd "Fritz" nachts aus dem Stall geholt.
Nun mußten wir unser Feld bestellen, wir haben Kartoffeln und Rüben gesteckt. Dann kam die Heuernte.
Eines Sonntags hieß es, gestern haben sie die ganzen Schmottseifner raus gejagt. Sie wären durch Liebenthal gekommen. Wir wollten es gar nicht glauben. Doch mittags 1/2 12 Uhr ging es uns so. Da kamen die Russen und jagten uns raus. Wir mußten alles Vieh los binden, sogar den Hund von der Kette befreien. Mitnehmen durften wir uns nichts. Ich hatte grade den Sportwagen, drin 1 1/2 Pfund Brot. Die Butter flog ins Haus und raus mit euch. So standen wir alle unten auf der Straße und mußten mit ansehen, wie sie beim Schmidtbauer der Treckwagen vollgepackt, die Pferde eingespannt und hinten noch drei Kühe dran gebunden haben. Der eine Soldat meinte, die Seifert Martha , die bei uns diente, sollte in unserem Hof bleiben. Wir haben die17jährige aber mitgenommen.
Dann ging es weiter nach Liebenthal. Bei Hofmann Pauls Viehweide wurde halt gemacht. Da wurde das Vieh, das die meisten hinten an die Wagen gebunden hatten losgemacht und in die Viehkoppel gejagt. Wir waren die einzigen von Geppersdorf, die kein Vieh und überhaupt nichts mit hatten. Josef hatte gerade ein paar Mark in der Tasche. Alles andere Geld hatten wir oben in der Scheune versteckt und durften nicht mehr hin. Dann gings weiter durch Ottendorf. Da bin ich in mein Elternhaus, da waren leider meine Mutter, Schwägerin Anna mit Werner schon raus. In dem Haus waren viele aus anderen Dörfern und suchten, was sie noch mitnehmen konnten. Ich habe mir aus der Küche den Mehltopf mitgenommen. Schwägerin Gertrud ein großes Federbett. Sie konnte das, sie hatten den Wagen mit zwei Kühen davor gespannt. Im Wohnzimmer lag eine Kuh auf dem Lager vom Volkssturm. Dann gings weiter nach Greifenberg. Unterwegs auf einer Wiese lagen die Ottendorfer. Ich bin gleich hin. Anna, Mutter und Werner hatten auch ihren Wagen vollgepackt. Zwei Pferde davor gespannt, hinten dran zwei Kühe gebunden. Mutter fragte mich, wo hast denn du dein Gespann. Ich sagte ihr, nur hier den Sportwagen, sonst nichts. Wahrscheinlich habe ich dabei gelächelt. Da wurde meine Mutter böse und sagte, da lachst du auch noch. Wir mußten weiter bis auf Weinerts Wiese, dort haben wir in Heuhaufen übernachtet. Da bin ich zu Wünsch Frieda, sie hatten eine Zementfabrik am Queis. Die hat mir einen großen Topf Kartoffeln gekocht und eine Schüssel Quark dazu gemacht. Für Kordula ein Paar Schuhe, sie war nämlich barfuß fort. Am anderen Tag bin ich zu Hildebrand ins Gasthaus "Schwarzer Adler" gegangen. Franz hat mir einen großen Topf Gräupchen gegeben. Er sagte, komme bloß wieder und hole dir was. Unsere Jungen Horst und Alfons mit sind den beiden Jungen vom Schuster Albert über Feld nach Hause gemacht. Sie wollten noch was holen, vor allem unser Geld. Gegen Mittag kam die Parole, es sollten welche vors Rathaus kommen. Da war der russische Kommandant. Er ließ von einem übersetzen, wir könnten wieder nach Hause. Da bin ich schnell zu den Ottendorfern. Doch leider hatten sie diese schon weiter getrieben, bis nach Langenöls, kurz vor Lauban. Josef hat dann dem Vater Titz zwei fremde Kühe eingefangen, und die vor den Wagen gespannt. Sie sind dann mit dem Wagen über Krumöls nach Hause gefahren. Nur dauerte das recht lange, denn diese Kühe waren das Ziehen nicht gewöhnt. Gertrud und ich sind über die Felder von Groß Stöckigt gemacht. Wir wollten die vier Jungen treffen. Es kamen aber keine. Als wir an einen kleinen Wald kamen, hatten sich aus Groß Stöckigt welche mit Vieh usw. dort versteckt. Sie frugen uns gleich was los war. Nu, wenn ihr nach Hause könnt, dann machen wir auch rein.
Doch als wir in Geppersdorf ankamen, waren die Jungen alle noch zu Hause. Unsere Kühe waren fast alle noch da. Zwei Schafe und unser Fohlen rannten durch die Wohnung. Die Stute, die Mutter von unserem Fohlen, steckte in dem finsteren Keller. Sie hatte sich Futter gesucht. Alles stand offen und auch alles durchgewühlt von Flüchtlingen. Mußten auch welche im Haus geschlafen haben. Nun ging das Drama los. Kein Streichholz, nichts war mehr da. Schmidt Anna brachte uns was Tee, damit wir zu trinken hatten. Mit einer Petroleumlampe sind wir in der Nachbarschaft rum gegangen, um Feuer in den Ofen zu machen, damit wir uns was kochen konnten. Das Schlimmste war, kein Salz. Wir hatten zwar noch was rotes Viehsalz, aber das war auch nicht das richtige. Schmidtbauers hatten einen Zentner Salz auf dem Treckwagen, der lag in Greifenberg auf Weinerts Wiese. Die meisten sind dann mit Schnaps und Uhren zu den Russen gegangen, um wieder was Vieh zu bekommen.
Onkel Albert aus Schmottseifen und Schwager Franz aus Harpersdorf mit Familien sind damals weiter über die Neiße bei Görlitz gemacht und nicht wieder zurück gekommen.
Dann kam die Zeit der Ernte. Da mußten sich die Männer mit der Sense und die Frauen unten bei der Schänke stellen. Ich mußte einmal auch mit. Da befahl der Wache Heinrich und der Scholz Hans wer mit wem und wohin zur Arbeit gehen mußte. Da ging es bloß: Du Ochse gehst mit der Kuh, der Eber mit der Sau, der Bock mit der Ziege. Was mußten wir uns alle gefallen lassen, sonst wären wir den Russen gemeldet und eingesperrt worden. Ich mußte bei Scholz Hans mit Weizen raffen, seine Frau sah zum Fenster raus und guckte zu. Ich bin dann nicht mehr gegangen. Zu Hause so viel Arbeit und drei kranke Leute zu versorgen. Dann durften wir unser Getreide rein holen, es wurde auch alles bei Schmidtbauers gleich gedroschen und wir mußten viel abliefern. Das abgelieferte Getreide wurde in Liebenthal im Kloster gelagert. Etwas Roggen haben wir ungedroschen in der Scheune mit Stroh zugedeckt, um etwas auf Reserve zu haben.
Im Monat November kamen von Ullersdorf her Polen mit ihrem Treckwagen gefahren. Drei Familien bei uns in den Hof. Die Miliz kam gleich mit. Die Polen mußten sich gleich die besten Zimmer aussuchen. Von uns hatten sie gleich das Wohn- und Schlafzimmer in Beschlag genommen. Die eine Familie blieb unten in der Stube. Wir, Josef und ich, mußten mit einer kleinen Kammer vorlieb nehmen. Sie waren nun alle Herr im Haus, wir durften bloß noch die Arbeit machen. Die eine Familie, die unten war, ist dann in die Teichmühle gemacht. Wir hatten dann den Schiek mit Frau und Sohn und die Frau Hankiewitsch mit zwei Kindern im Haus. Ihr Mann kam dann später von den Soldaten zu uns.
Früh 5 Uhr, wenn ich aufstand, gingen die Frauen mit runter in den Stall und paßten auf, wie viel Milch ich gemolken hatte. Dann gingen sie mit in den Keller, ich durfte die Milch durch die Zentrifuge drehen, dann wurde alles in drei Teile geteilt. Dann durfte ich alleine weiter arbeiten.
Nun hatten wir doch kein Geld. Unterdessen wurde in Liebenthal ein kleines Geschäft aufgemacht, die kauften Sachen auf. So haben wir Sachen hingebracht und Zloty erhalten. Dafür haben wir uns Salz, Zucker und Streichhölzer gekauft. So sind wir so leidlich über Weihnachten und Neujahr durchgekommen.
Im Frühjahr mußten wir doch unser Feld bestellen und wieder was anbauen.
Wie die Kirschen reif waren und Josef sie gepflückt, mußte er mit den Polen und den Kirschen nach Hirschberg fahren. Dort haben sie die Kirschen verkauft und wir hatten nichts davon. Auf einem Feld hatte ich schön Mohn angesät. Als er reif war, mußten wir abends noch die Kapseln leeren, und den Mohn haben sie auch verkauft. Doch zuvor hatten wir uns welchen abgemacht und draußen im Wald aus den Kapseln gemacht, es werden höchstens 2-3 Pfund gewesen sein, die hat Schwägerin Gertrud zu sich mit rein genommen.
Nun hatten wir doch kein Geld. Josef sollte pflügen und die Schaare stumpf, da wurde ich aber laut und warf die Schaare auf die Erde, weil der Schmied sie nur gegen Zloty scharf machte. Da wurde der Frau Schiek doch Angst und sagte zu Horst und Alfons. Sie sollten die Schaare zum Schmied bringen. Sie und Hankiewitsch geben jeder 50.- Zloty. Mama zu sehr schimpft.
Eines Sonntags, als Horst zur Kirche ging, hat ihn die Miliz reingeholt, er sollte Motorräder putzen. Als er einen Putzlappen holte, ist er ausgerissen. Später mußte Horst mit an der Bahn helfen. Sie sollten eine Panzersperre beseitigen und eine gesprengte Brücke abtragen. Da wurde ich auch wieder laut. Da hat sich Hankiewitsch eingesetzt. Er durfte dann zu Hause bleiben. Alfons mußte in Liebental mit helfen, einen Sportplatz sauber machen. Aus anderen Dörfern waren auch Frauen dabei, welche Alfons bestimmt auch mal geärgert hat. Eine Frau sagte, wer ist denn die kleine "Häk". Man sagte ihr, der ist vom Stelzer Josef aus Geppersdorf. Da meinte sie, dann sind wir ja auch noch mit einander verwandt. Es war die Schwanitz Hilde, die jetzt in Gersddorf wohnt.
Dann mußte Horst mit dem Ochsengespann hinter Löwenberg in den Dörfern Feld bestellen. Mit ihm waren auch Hasse Herbert, Fromhold Georg und der Lange Bruno alle mit einem Gespann. Es waren alles 15jährige Jungen und dazu waren die Arbeiten alles auf Minenfeldern. Einige waren durch die Minen bereits ums Leben gekommen. Natürlich war ich wieder diejenige, die fürchterlichen Krach machte.
Da sind doch unsere Hankiewitschs und der Antije vom Schuster Albert runter gemacht und haben es geschafft, daß sie alle Montag wieder nach Hause durften. Horst sagte, er hätte gerade eine Fuhre Mist aufgeladen gehabt. Vor Freude, daß es wieder heimwärts ging, hätte er so scharf eingelenkt, daß er eine Birke zwischen die Räder bekommen hätte. Da sie mit den Ochsen den Wagen nicht wieder frei bekommen haben, hätten sie einfach die Birke abgesägt. Sie hatten dort auch noch ein schlechtes Quartier und wenig zu essen gehabt. Und zu Hause so viel Arbeit.
Mittlerweile kam der Herbst, wir mußten Kartoffeln ernten, da haben die Polen mal geholfen. Der Schiek hat dann gleich das Pferd eingespannt und feste Kartoffeln verkauft.
Doch vorher, ich weiß nicht mehr wann, starb unsere Tante Klara, die Schwester vom Stelzer Opa. Zur Beerdigung kam der Schiek in einem feinen Anzug. Als Gertrud ihn sah, sagte sie, der hat doch vom Heinrich das Jackett an. Da ging mir ein Licht auf. Der Kerl war in unser Versteck geraden. Wir hatten alles über dem Kuhstall. Da war über dem Gewölbe mindestens ein Meter Spielraum. Nun merkten wir, daß von den Schieks immer einer zu Hause blieb. Der Eingang zu unserm Versteck war im Gang, er war durch die Wäschemangel verdeckt. Dort konnten wir nicht mehr rein.
Es waren schon etliche Transporte fort aber Schiek sagte immer, Stelzer braucht nicht fort. Nun hatte mir Frau Hankiewitsch heimlich gesagt, wir sollten uns lieber was Paketa packen. Wenn fort dann gut, wenn nicht fort, dann auch gut. Nun mußten wir etwas unternehmen. Haben dann in unserer kleinen Kammer ein Dielenbrett durchgesägt, so daß ich gerade so rein konnte. Aber da sah ich, es war alles durchgewühlt. Er war von der anderen Seite reingemacht und sich schon Sachen rausgeholt. So habe ich dann jeden Abend was rausgeholt und verpackt.
Inzwischen haben uns die zwei Polen ins Verhör genommen. Wir hätten unserer Nachbarin Friedrich Milch gegeben. Und wir hätten doch sicher ein Radio, wo wir dies versteckt hätten. Es war aber alles nicht war. Sie wollten uns blos Angst einjagen. Wir besaßen gar kein Radio und das von Frau Schmidt mußten wir schon bei den Russen abgeben. Wir durften nicht mal ein Fahrrad haben. Knoblauch neben der Schenke hatte kaputte Fahrradschläuche abgegeben aus Angst, da haben sie ihn verdroschen, als hätte er sie absichtlich kaputt gemacht. Einmal mußte unser Horst zum Wache, er war in der Zeit das Oberhaupt in unserer Gemeinde. Horst solle einen Zettel geschrieben haben und an einen Baum angemacht. Es standen irgendwie Beschimpfungen drauf. Als er fort war, habe ich den Josef nachgeschickt, aus Angst, was er mit den Jungen anstellt. So war es auch, er saß in einer Ecke und wurde so zusammengestaucht von dem Wache, er sollte zugeben, daß er es getan hat. Josef verlangte den Zettel, da war alles deutsch geschrieben. Horst sagte, ich kann gar nicht deutsch schreiben, worauf ein Mädel vom Wache, die mit Horst in die Schule gegangen war, dies bestätigte. Da stauchte er die auch noch zusammen. Es war also nur wieder ein ausgedachter Grund um uns was auszuwischen. Wache Johann und der Scholz Hans sind mit dem ersten Transport weggemacht, denn sie wußten es, daß die ersten Transporte in den Westen gingen. Beide leben heute in Engelskirchen bei Köln.
Hankiewitsch ging aus Geppersdorf weg. Er war Postmeister und wollte sich in Löwenberg Arbeit suchen. Nur seine Frau blieb mit den Kindern da.
Am ersten Dezember haben Josef und ich noch eine Fuhre dürres Holz aus dem Wald geholt. Wir waren gegen 6 Uhr abends zurück, da lag der Befehl da, wir mußten am anderen Morgen 6 Uhr mit, ich weiß nicht wieviel Gepäck, an der Schenke sein. Da hat früh unser Schiek geguckt, daß wir auf einmal so viel Gepäck hatten. Wir mußten noch unser Zeug runter tragen, obwohl Schiek den Befehl hatte mit Pferd und Wagen unten zu sein. Maurer Uhlig hat uns dann noch alles mit der Schubkarre runter gefahren. Er durfte noch nicht mit. Schwägerin Gertrud mit Familie waren schon eine Woche vorher fort. Die beiden Polenfrauen mußten auch mit runter gehen. Wahrscheinlich sollten sie die Sachen, die wir nicht mitnehmen durften, wieder mit nach Hause nehmen. Es waren noch zwei oder drei Gespanne da, die unsere Sachen sollten aufladen. Da ging auf einmal gar nichts mehr voran. Da kam auf einmal ein Auto vorgefahren, stiegen zwei Herren aus, und fragten auf polnisch, was denn los sei. Unser Schiek sagte, wir hätten doch alle viel zu viel Gepäck und sie wollten uns was abnehmen. Da sagte der eine Herr, es war der polnische Landrat, alles aufladen, Kontrolle ist doch in Hirschberg und nicht hier.
Unsere Luci Oma hatte ein Stubenkloset mit, das hing sie an den Wagen. Schiek sagte immer "Scheißen weg" und Oma sagte "Scheißen mit". Zuerst wurde uns das peinlich, doch später, als sie uns in einen Viehwagen, es waren über 20 Mann, eingesperrt hatten, waren wir froh, daß wir den Eimer mit hatten. Wir konnten doch gar nicht raus. Sie hatten den Wagen mit Stricken verriegelt.
So ging es nun am 2. Dezember 1946 von Geppersdorf nach Hirschberg. Das waren 30 km zu Fuß. Die paar Wagen waren ja voll mit Gepäck. In Hirschberg wurden wir alle Mann mit dem Gepäck in einen kleinen Raum eingesperrt und mußten die Nacht dort verbringen.
Meine Schwester Thekla hatte zuletzt bei uns Zuflucht genommen, weil sie in Ottendorf der Pole rausgeschmissen hatte. Mit ihr habe ich in Hirschberg die Krumölser aufgesucht. Unser Onkel Amand, er war 90 Jahre, saß auf dem Gepäck und sagte, hätte er mich doch auf dem Wagen gelassen und wieder mit nach Hause genommen. Er konnte doch nicht mehr laufen. Er war der Stiefbruder meiner Mutter.
Gegen Abend wurden wir mit dem Gepäck durch die Kontrolle gejagt. Die Säcke wurden aufgeschnitten, was ihnen gefiel weggenommen, und wir wurden mit Fußtritten verabschiedet. Von dort ging es auf den Bahnsteig. Dort sollten wir verfrachtet werden. Unterdessen wurde es auch schon finster, da kamen von der anderen Seite wieder welche und wollten uns bemausen. Da haben wir alle schrecklich um Hilfe geschrien. Da kam die Miliz und dann wurde Ruhe. Nun wurden wir mit dem Zug weiter verfrachtet. Wohin, wußten wir nicht. Am Morgen kamen wir in Kohlfurt an, dort wurden wir alle entlaust und geimpft. Bekamen etwas Malzkaffee und vier Mann zusammen einen Hering. Die Verpflegung, die für uns bestimmt war, hatten sie gemaust. Dann gings weiter bis Zittau. Dort kamen wir alle in eine Kaserne. 16 Mann in einem Zimmer. Wir lagen alle auf der Diele und von den Wänden tropfte das Wasser runter. Zu essen bekamen wir jeden Tag Futterrüben-eintopf. Das die ganzen drei Wochen lang. Obwohl manche gesehen hatten, wie sie Fleisch, Rotkraut und Kartoffeln in die Küche eingeliefert hatten.
Am Heiligen Abend früh 1/2 7 Uhr hieß es, alles packen und raus mit euch. Da haben wir von früh bis abends am Bahnhof auf dem Bahnsteig gestanden. Manche lagen und konnten nicht mehr stehen und noch bei dieser Kälte. Dann haben sie uns in einen alten Personenzug gesteckt. Wir konnten weder sitzen noch stehen. Die Fenster waren zugefroren. Zu essen hatten wir auch nichts und wenn wir auch was Brot mit hatten, konnten wir nicht mal dazu, weil alle Gepäckstücke übereinander lagen. Kordula und Achim waren auf dem Gepäck eingeschlafen. Damit sie nun nicht erfrieren sollten, haben wir sie immer mal wach gerüttelt. Manche hatten mit Hauch die gefrorenen Fenster etwas frei gemacht. Da war es um Mitternacht, da sahen wir, daß wir durch Dresden fuhren. Da brannten die Kerzen an den Christbäumen. Die Glocken hörten wir läuten. Es war ein schreckliches Weihnachten für uns, zumal wir nicht mal wußten, wo wir landen werden. Als es dann auf den Morgen zu ging, hieß es wir sind in Chemnitz auf dem Hauptbahnhof. Dort wurden dann etliche rausgeholt. Stelzer Alwine mit Willy und seinen Geschwistern auch mit. Mit uns ging es dann weiter bis Haltepunkt Schönau. Dort mußten wir uns auf dem Weg, der raus zum Neubauernweg ging anstellen. Da wurden wir alle abgezählt. Warum und wofür wußten wir nicht, wir waren ja alle noch in voller Angst. Nun sahen wir, daß welche mit Lastautos abgefahren wurden. Und die übrig blieben, mußten bei "Spinn und Zwirn" in den kalten Speisesaal. Wo wir die zwei Weihnachtstage mit angebrannter Haferflockensuppe verbracht haben. Josef konnte mit seinem erfrorenen Fuß in keinen Schuh. Er hat sich in eine warme Decke die Beine eingehüllt. An einem der beiden Tage bekamen wir von dem damaligen Stadtrat Grunert eine Predigt. Wir hätten dort bleiben sollen, wo wir her kamen. Er hat wohl gedacht, wir sind alle freiwillig gegangen. Nach den Feiertagen wurden wir alle in Wohnungen gebracht. Uns fünfköpfige Familie hat Bauer Walter Zimmermann aus Stelzendorf mit seinem Gespann nach der Zeppelinstraße 1 gebracht. Es war bei der Familie Simon. Dort bekamen wir zwei große Zimmer. Dort war kein Stuhl kein Tisch kein Bett, nur ein paar Russenknöpfe lagen auf dem Fensterbrett, und die Fenster waren kaputt. Unseren Opa mit der Oma haben sie auf der Hoferstraße, heute Zwickauer Straße, gegenüber vom Gut Höckericht in eine Kammer einquartiert. Oben an der Decke war ein kleines Guckfenster, in der Ecke eine Treppe, die zum Boden rauf führte. Sie hatten aber wenigstens zusammen ein Bett, einen Stuhl und einen kleinen Tisch. Ich habe sie dann zu uns mit runter geholt. Sie konnten sich doch nicht mal was zu essen kochen da oben. So waren wir bei Simons 14 Mann. Sieben Mann von uns. Von Ullersdorf Familie Rudolf vier Mann. Dann noch Familie Hochsattel aus Bertelsdorf bei Spiller. Die Frau krank, der Mann ein Bein amputiert und zwei kleine Kinder. Zusammen eine Küche, eiskalt und nichts zu feuern. Zum Kochen hatten wir einen Gasherd, aber nichts zum draufstellen.
Das Schönste war noch, man konnte von der Küche aus hinten raus in den Garten. Da liefen die Besitzer des Hauses, drei Familien, durch unsere Küche, statt zur Haustür oder durch den Keller raus. So wurde es doch noch kälter für uns. Und das haben wir uns alle so gefallen lassen, weil wir immer noch ängstlich und eingeschüchtert waren. Josef wurde dann krank geschrieben. Er mußte sich orthopädische Schuhe anfertigen lassen. Kordula mußte doch dann in die Schule. Habe ihr ein paar alte Holzschuhe gekauft, damit sie was an die Füße hatte.
Horst hat in Ursprung beim Bauer Auerswald Arbeit gefunden und das zur genüge, bis spät in die Nacht rein. Josef ist dann in die Schirmfabrik arbeiten gegangen und hatte meist Nachtschicht, denn es gab am Tag keinen Strom für die Maschinen. Am Wochenende ging er zum Horst raus etwas helfen und brachte Sonntag abend paar Kartoffeln im Rucksack mit nach Hause. Und dies von Urspung bis Schönau, das waren hin und zurück ca.30 km zu Fuß.
Alfons war dann beim Onkel Albert in Polenz.
Ich habe dann beim Neubauer Fressel Arbeit gefunden im Gemüsebau. Aber nur für Geld. Krautblätter und Rübenpflanzen konnten wir bei ihm kaufen. Die wurden dann mit Kartoffelwalz-mehl eingedickt. Davon bekamen wir unheimliche Blähungen.
Oma und Opa bekamen zusammen 92.- Mark Fürsorge. Das langte doch hinten und vorne nicht hin.
Und Josef hielt es vor Kopfschmerzen in der Fabrik kaum aus. Er fand dann bei der Kempe Frieda, welche als Neubauer mit gesiedelt hatte, Arbeit. Sie mußte draußen auf ihrem Feld ein Haus, Stall und Scheune neu aufbauen. Dort hat er schwer mit geholfen. Er bekam dafür volle Beköstigung und sage und schreibe im Monat 120.- Mark. Das war für sie eine Kleinigkeit, denn sie konnte ja vieles schwarz verkaufen. Ich konnte dann auch mit bei ihr helfen. Wir hatten dann wenigstens was zu essen. Doch 1950 wurde die Neubauernstelle bei Frau Drechsler frei. Sie war aber ganz herunter gewirtschaftet. Josef hat die Stelle unter13 Bewerbern bekommen. Es waren zwei Kühe, drei halbverhungerte Kälber, ein Schwein, ein Schaf, zwei Hühner und ein Hund da. Dazu 15.000.- Mark Schuld und ganze 150.- Mark in der Tasche. Es war ein sehr schwerer Anfang für uns. Nach dem Josef hat der Horst bei der Kempe Frieda als Wirtschafter gearbeitet. Die hat dann aus gesundheitlichen Gründen diese Wirtschaft aufgegeben. Da hat Horst in Stelzendorf eine Wirtschaft gepachtet. Als wir uns schön hochgerackert hatten, kam die LPG auf. Es war 1960, da kamen schon welche und warben für die LPG. Es waren aufregende Tage und Nächte. Eines Tages kam der Klapper Walter zu Josef und sie berieten, was machen wir bloß. Da kam schon wieder ein Auto voller Werber. Da sagte der Klapper Walter, ja wenn ihr den Stelzer Horst in Kempens Wirtschaft laßt, dann gehen wir mit in die LPG. Die Männer gingen wieder fort und vier Stunden später war es schon fertig. Der Pachtvertrag in Stelzendorf wurde aufgelöst, und der Horst bekam Kempes Wirtschaft. Natürlich mußte er 60 oder 65tausend Mark dafür bezahlen. 1968 wurde die LPG Typ I der Reichenbrander LPG Typ III angeschlossen. Wir mußten den Inventarbeitrag bringen. Es waren nicht ganz 20.000.- Mark, die wir aufbringen mußten. Das Vieh wurde geschätzt und alles aus dem Stall geholt und nach Reichenbrand gebracht. So waren wir über nacht wieder arme Leute geworden. Nun wurden alle Mitglieder der LPG Typ I in den Typ III mit übernommen. Nur ich nicht, weil ich durch einen Unfall und durch meine Krankheit mit 58 Jahren Invalide geworden war. Das hätten sie aber nicht tun dürfen. Da ich Mitglied der LPG Typ I war, hätten sie mich übernehmen müssen. Und das war für mich ein großer Fehler und Schaden. Denn als mein Mann mich 1976 starb, hätte ich als Erbin die Bodenanteile müssen weiter bekommen. Josef mußte dann jeden Tag mit dem Pferdegespann Grünfutter nach Reichenbrand in den Schweinestall bringen. Als er dann 1974 in Rente ging, wollten wir mal Urlaub machen und zu unserem Sohn Alfons in den Westen fahren. Die Pferde hat die LPG nach Neukirchen in Pflege gegeben. Als wir wieder zurück kamen, gaben sie ihm die Pferde nicht mehr zurück. Es käme zu teuer, und er mußte Handarbeiten verrichten. Da es auch noch seine eigenen Pferde waren, die er mit als Inventar eingebracht hatte, konnte er es nicht mehr verkraften. Unsere Tochter Kordula hat uns die ganzen Jahre unterstützt und hat auch nach 1968 bis 1971 mit in der LPG Typ III auf den Feldern gearbeitet. Danach hat sie im Industriewerk gearbeitet.
Ich hatte 129.- Mark Rente und Josef 220.- Mark, da konnten wir keine großen Sprünge machen.
Im August sind wir wieder mal rüber. Wir waren zur Hochzeit unserer Enkeltochter Regina eingeladen. Da kam der schreckliche Freitag, der 13., wo mich Josef so plötzlich verlassen hat.
Ich war dann noch acht Jahre alleine in der alten Feldscheune. Ich hatte noch Hühner, Enten und Kaninchen. Futter hatte ich ja genug. Nach einem Schreiben nach Berlin, daß ich dies alles nicht mehr bewältigen könnte, kam ein Herr namens Kowalsky und sagte mir, daß die Stadt die Feldscheune übernehmen wollte, ich könnte darin wohnen bleiben und Miete bezahlen. Da blieb mir doch die Spucke weg. Und das alles ohne alles? Nee, da behalte ich das Gebäude. Da mag kommen was will.
Später kam ein Herr aus Limbach und wollte mir alles abkaufen. Er wollte Büro einbauen und Gaskessel bauen. Dazu war jedoch die Genehmigung erforderlich, daß eine Wohnung zum Gewerberaum umgenutzt werden konnte. Meine Wohnung wurde nach Besichtigung als nicht mehr bewohnbar festgestellt. Ich mußte deshalb einen Wohnungsantrag stellen. Doch leider wurde daraus nichts. Der Herr aus Limbach bekam in Karl-Marx-Stadt keinen Gewerbeschein, weil er sein Gewerbe in Limbach gemeldet hatte.
Später wurde das Dach stark reparaturbedürftig. Da sagten meine Kinder, hier kannst du doch nicht mehr wohnen bleiben. Eines Tages kam meine Tochter Kordula kurz nach Feierabend und sagte zu mir, auf der Stelzendorfer Straße wird eine Wohnung frei. Das hatte ihr ihre Kollegin Frau Jäppelt gesagt. Da ist sie gleich rein auf das Wohnungsamt hin und hinter ihr eine große Schlange, die gar nicht mehr drankamen. Sie kam als letzte noch rein. Durch ihren Hinweis, daß ihre Mutter auf der Dringlichkeitsliste stehe, bekam sie die Wohnung. Ich bin selber noch mal hin, bekam die Karte zur Besichtigung der Wohnung und später auch die Zuweisung. Nun hatte sich auch ein Herr Schütz gemeldet. Er wollte das Gebäude zur Unterbringung seines Viehes haben, hat es auch bekommen.
Nun hatte ich den Antrag gestellt, um in den Westen zu fahren, wollte aber wegen des Umzugs zu Hause bleiben. Doch meine Kinder meinten, fahre nur. Als ich wieder zu Hause ankam, holte mich Bernd und Manfred von Bahnhof ab. Sie fragten, wo willst du hin, Kordula ist bei dir zu Hause. Da gings nach dem Neubauernweg in die Feldscheune. Ich dachte, da hat sie auch noch zugeschlossen und sitzt im Finstern. Doch es war keine Kordula da und alles so leer, da müssen wir doch wo anders hin fahren. Da gings in die neue Wohnung. Da saßen in der eingerichteten Küche Kordula, Horst, Dorchen, Willi, Ruth und Titz Horst der Reihe nach um den Tisch herum und warteten, was ich für ein Gesicht machen und dazu sagen werde. Ich war einfach sprachlos.
Horst hat mit seiner Zugmaschine und Hänger alles rübergefahren. Titz Horst und Manfred im Wohn- und im Schlafzimmer neue Fenster eingebaut. Bernd und Horst haben den Küchenherd weggerissen. In der Küche war neuer Fußbodenbelag gelegt. Ich brauchte mich nur ins gemachte Nest zu setzen.
Inzwischen hat mir der Herr Kowalsky 8400.- Mark für die Scheune gebracht, davon mußte ich noch 2000.- Mark Kredit zurückzahlen. Das Geld hätte ich damals nicht bekommen. Das ist aber auch alles, was ich bekommen habe. 1990 habe ich noch ganze 700.- Mark vom Inventarbeitrag erhalten. Horst hat auch bloß 700.- Mark bekommen, die anderen das Doppelte. Als Horst gefragt hat, warum, es wäre ein Versehen gewesen, die anderen hätten auch bloß 700.- Mark bekommen sollen. Inzwischen wurde das ganze Gelände der Neubauer zu einem Gewerbegebiet erklärt. Die Neubauern mußten alle raus, bis auf Patzner, der kann in seinem Haus bleiben. Klapper, Horst, Pinnow und Patzner wurden für das Land entschädigt. Nur ich war wieder die Geblechmeierte. Ich durfte Anfang November 1993 nur zusehen, wie unsere Feldscheune in Schutt gebracht wurde.
Aber trotzdem bin ich froh, daß ich hier eine schöne Wohnung habe und in der Nähe von Kordula und Horst bin. Horst hat in meiner Nähe, auf der Ehrlichstraße ein Haus gekauft und ausgebaut. Sein Sohn Thomas wohnt mit drin.
Und jetzt Ende Februar 1994 wurde der Hof vom Horst am Neubauernweg völlig weggeputzt. Es ist kein schönes Gefühl, wenn man das so sehen muß. Was einst so mühsam aufgebaut wurde, wird nun auf einmal weggerissen.
Vom Küchenfenster ihrer Wohnung in der Stelzendorfer Straße konnte Frau Stelzer ihr altes Heim, die "Feldscheune", besonders im Winter, wenn kein Laub auf den Bäumen war, gut sehen.
Oft wird sie beobachtet haben, was dort vor sich geht. Auch das Haus ihres Sohnes Horst konnte sie gut sehen. An beiden Anwesen hing ihr Herz.
An der Feldscheune, weil dort nach dem Krieg ein Neuanfang als sebständiger Bauer möglich wurde. Gleichzeitig war dieses Haus der Treffpunkt vieler Freunde und Verwanden aus der alten Heimat.
Auch beim Aufbau der Neubauernstelle der "Mamsel" Kempe Frieda, die jetz ihrem Sohn Horst gehörte, hat ihr Mann Josef bestimmt in den ersten Nachkriegsjahren manchen Liter Schweiß gelassen.
Wann Frau Stelzer begonnen hat ihre Erinnerungen aufzuschreiben, wissen wir nicht, denn sie hat sie uns erst gezeigt, als sie fertig waren. Wir haben sie zwar gebeten, uns noch mehr aus ihrem Leben zu berichten, aber sie hat dann nur noch das Riesengebirgslied angefügt.
Frau Hedwig Stelzer wurde am 14.07.1911 als Tochter des Bauern und Amtsvorstehers Albert Paul und seiner Ehefrau Ida Paul geb. Friedrich in Ottendorf kreis Löwenberg in Schlesien geboren.
Sie hatte noch drei ältere Geschwister:
Mariechen Puschmann geb. 12.03.1900, Hubert Paul geb. 28.09.1903 und Thekla Stelzer geb.21.01.1907.
Sie heiratete Josef Stelzer, den Sohn des Bauern August Stelzer und seiner Ehefrau Lucia Stelzer geb. Friedrich.
Ihr Mann hatte noch vier Geschwister:
Gertrud Titz geb. 06.12.1905, Gerhard Stelzer geb. 22.04.1907, Franz Stelzer geb. 1908 und Anna Paul geb. 02.10.1911
Ihr Mann war am 27.11.1909 geboren und als jüngster Sohn der Erbhofbauer.
Während des Krieges übertrug ihr Schwiegervater Hedwig Stelzer den Hofes. Wie wir aus ihren Erinnerungen wissen, hat sie diese Verantwortung auch gern getragen.
Letzte Aktualisierung: 16.05.2006